Rezension

Wenn auch nicht zum Weinen oder Lachen, so doch zum Schmunzeln!

Hebammerich - Katrin Einhorn

Hebammerich
von Katrin Einhorn

"Hebammerich" von Katrin Einhorn: Amüsante "Nebenher-Lektüre", die dem Leser gute Unterhaltung "an der Oberfläche", aber definitiv nicht darunter, bietet.

Lang, lang ist's her, als auch ich mich eine Zeitlang mit dem Gedanken trug, eventuell Hebamme zu werden; gut, ehrlich gesagt, war dies mein erster klar geäusserter Berufswunsch, als es in der Schulzeit an die Berufsorientierung ging. Tja, aber dann reizten mich andere Berufsbilder doch mehr, erst recht, nachdem ich eine Infoveranstaltung der nächstgelegenen Hebammenschule besucht hatte, zusammen mit sicherlich um die 80 weiterer Interessenten, von denen allenfalls noch noch 0,8 Leute sich später um einen Platz an jener Schule bewerben wollten, denn offensichtlich hatte die Leiterin Angst vor Auszubildenden und es sich zum Ziel des Infonachmittags gesetzt, einen neuen Jahrgang an ihrer Schule zu verhindern. Nun ja. 

"Hebammerich" sprach, nur des Titels wegen, doch noch die jugendliche Träumerin von vor besagter Informationsveranstaltung in mir an und eine längere Zugfahrt schien mir die passende Gelegenheit zu sein, mich an das eBook zu wagen: Die gedruckte Version kommt mit 272 Seiten daher, das eBook liess sich von mir in einem Rutsch innert zwei Stunden weglesen, in denen ich mich keineswegs gelangweilt habe, aber auch nicht so tief in den Inhalt eintauchte als dass ich gar nichts mehr mitbekommen hätte. 
Der Roman war einfach locker-fluffig-leicht weglesbar.

"Hebammerich" erzählt in erster Linie die Geschichte von Nils, einem leidenschaftlichen Hobbymusiker und Schlagzeuger der ebenso ambitionierten wie noch recht nicht erfolgreichen Band "Blobfish Project", dessen Freundin Charlotte, engagierte Hebamme am Barbara-Krankenhaus, sich von ihm trennt, da er in ihren Augen absolutes Desinteresse an ihr und ihren Vorlieben und Einsätzen zeigt und die Band über ihre Beziehung stellen würde.
Daraufhin beschliesst Nils, Charlotte zu beweisen, dass er kein ignoranter Fatzke, sondern dass auch in ihm ein einfühlsamer, engagierter Mann steckt, der durchaus Verantwortungsbewusstsein und Zielstrebigkeit zeigen kann und damit Charlotte das überhaupt nach ihrer Terennung noch sehen kann, findet sich Nils letztlich in ihrer unmittelbaren Nähe, in der Ausbildung zum Entbindungspfleger wieder, die er allerdings nicht zur Gänze durchziehen möchte, denn dieses direkte Geburtenzeugs ist ja doch irgendwie widerlich. Aber sollte es nicht reichen, Charlotte zurückzugewinnen, indem er sie einfach nur seinen guten Willen erkennen lässt?

Ich sagte ja schon, in erster Linie wird hier Nils' Geschichte erzählt: Der steht hier auch klar im Fokus; in weiteren Kapiteln erzählt der aussenstehende Erzähler aber auch immer wieder, wie es Charlotte derzeit ergeht und wie sie sich in bzw. mit ihrem neuen, nilsfreien (Privat)Leben arrangiert. Dadurch weiss man als Leser immer etwas mehr als Nils, was aber gar nicht soooooo sehr nötig ist, denn einen allzu tiefen Einblick erhält man hier weder in Nils' noch in Charlottes Leben: Klar ist eigentlich nur, dass Nils Charlotte zurückerobern will und dass Charlotte zumindest eingangs eher genervt von Nils' Bestrebungen ist, diese aber doch auch mit einem gewissen Amüsement wahrnimmt. 
Während Charlotte eher reflektiert-seriös auftritt, ist Nils einfach sehr spontan, dabei auch zu eher undurchdachten Aktionen neigend: Wenn ihm eine Idee kommt, verfolgt er diese auch gleich voller Enthusiasmus, um später, in den meisten Fällen: zu spät, festzustellen, dass er diesen oder jenen wesentlichen Aspekt völlig aussen vorgelassen hat. Das wiederum führt zur ein oder anderen skurrilen Situation, grade auch im Krankenhaus, wo er als erster männlicher Hebammenschüler überhaupt als "der Mann" ohnehin schon häufig eher sehr skeptisch beäugt wird. Kurzum: Nils ist ein ziemlicher Chaot und ich fand ihn auch eher lustig als liebenswert, wobei es natürlich schon süss, aber eben auch völlig an den Haaren herbeigezogen war, dass er sich, um seine Ex zurückzugewinnen, im selben Beruf, den sie ausübte, ausbilden lassen wollte. 
(Da hatte ich auch persönlich ein klitzekleines Problem damit nachzuvollziehen, dass tatsächlich er im Nachrückverfahren den Ausbildungsplatz erhalten hatte: Das wurde zwar halbwegs begründet, aber es wurde eben auch erwähnt, dass es noch zahlreiche weitere Bewerbungen gegeben hatte und trotz der gebotenen Begründung konnte ich nicht so ganz nachvollziehen, dass tatsächlich Nils als neuer Hebammenschüler auserkoren worden war - aber gut, da mag bei mir auch der Umstand hineingespielt haben, dass bei der von mir besuchten Infoveranstaltung damals erwähnt wurde, bei der betreffenden damaligen Schule würden pro Ausbildungsplatz 700 Bewerbungen eintrudeln und die Schulleiterin offensichtlich am Liebsten Bewerbungen von Leuten sah, die a) ihre Schulpraktika auf der Gynäkologie des Krankenhauses oder zumindest in einer Frauenarztpraxis gemacht hätten, b) ihre Schulferien über auf der Entbindungsstation gejobbt hätten, b) ein Einserabi geschrieben hätten und c) wenn schon nicht ein komplettes Medizinstudium mit Bestnote, dann doch zumindest eine Ausbildung zur (Kinder)Krankenschwester bereits absolviert hätten.) 

Gut, damit, dass Nils hier eben der "auserkorene Azubi" war, damit konnte ich mich doch abfinden, aber schliesslich machte die Geschichte unerwartet einen mehrmonatigen Zeitsprung: Ich mag diesen Tick diverser Autoren, eine Handlung konstant aufzubauen, um dann einige Monate einfach auszulassen, ehe es zum Schluss kommt, nicht sonderlich und grade in diesem Fall haben mir einige Infos darüber gefehlt, wie es Nils und Charlotte während dieser "Handlungspause" miteinander oder eher ohneeinander ergangen ist, da es hier doch eine gravierende Entwicklung gab, auf die ich hier allerdings nicht weiter eingehen werde, um nicht zu spoilern. (Allerdings war diese Entwicklung für solcherlei Romane eher typisch und nichts, was mich zutiefst überrascht hätte; ehrlich gesagt, habe ich schon recht früh vermutet, dass es hier auf so etwas herauslaufen würde.) 

Insgesamt habe ich den Roman gerne gelesen, räume aber ein, dass er sich mir wohl nicht zu tief ins Gedächtnis eingegraben hat; ich kann nicht behaupten, dass ich mit "Hebammerich" etwas ganz, ganz Superdupermegatolles und absolut Unvergessliches gelesen habe: es war einfach nur kurzweilig und definitiv eher Liebeskomödie als Liebesdrama; toll, wenn man mal etwas Zeit mit leichter Unterhaltung vertrödeln und mal auf die ganz, ganz tiefen überemotionalen Liebesbeschreibungen verzichten möchte!