Rezension

Wenn der Schwarze Engel tanzt...

In Almas Augen
von Daniel Woodrell

Der amerikanische Autor Daniel Woodrell wird gerne als der Erfinder des Southern bzw. Country Noir bezeichnet und ist ein Chronist, der seine Leser, wie bereits in „Winters Knochen“ und „Der Tod von Sweet Mister“, auch in seinem neuesten Roman „ In Almas Augen“ an dem Alltag in den Ozarks, Missouri teilhaben lässt. Woodrells Schilderungen haben glücklicherweise aber nichts mit den idyllischen Beschreibungen der deutschen Regio-Krimis gemein, sondern beschreiben schonungslos das Leben und Sterben, das Elend, die Bigotterie und die geplatzten Träume der Menschen, die oft schon seit Generationen in diesem Landstrich leben. Diesen Menschen setzt er mit seinen Romanen ein Denkmal.

Auch Daniel Woodrell kommt von dieser Gegend nicht los und ist mittlerweile wieder in West Plains, Missouri heimisch geworden. In einem Interview mit Dwyer Murphy für „Guernica“ führt der Autor aus, dass „In Almas Augen“ ein reales Ereignis zugrunde liegt und er ein stückweit die Historie seiner Familie, in diesem Fall seiner Großmutter, eingearbeitet hat.

Alma deGeer Dunahew kennt ihren Platz im Leben. Sie arbeitet als Dienstmagd im Hause des Bankiers Glencross in der Kleinstadt West Table, wo sich Fuchs und Hase „Gute Nacht“ sagen und das Leben der meisten Bewohner von Armut und Entbehrung geprägt ist. Ihre Schwester Ruby erwartet mehr vom Leben, aber das einzige Pfund, mit dem sie wuchern kann, ist ihr gutes Aussehen, das sie auch nicht zögert, bei ihren zahlreichen Männerbekanntschaften einzusetzen.

Im Frühsommer 1929 vergnügt sie sich, wie der Großteil der Bevölkerung in der Arbor Dance Hall beim Tanz, aber jener Abend endet in einer Brandkatastrophe, die nicht nur Ruby, sondern auch weitere zweiundvierzig Menschen das Leben kosten wird. Die nachfolgenden Untersuchungen des Unglücks liefern die unterschiedlichsten Ergebnisse, aber es scheint, dass niemand aus den verschiedensten Gründen daran interessiert ist, den Schuldigen zu entlarven.

Lediglich Alma geht gegen das kollektive Schweigen vor, denn sie möchte den Tod ihrer Schwester gesühnt wissen, aber ihre Nachforschungen werden nicht gerne gesehen. Sie ist traumatisiert, wird zur Außenseiterin, verliert fast den Verstand, und es braucht eine lange Zeit, bis sie das Geschehene verarbeitet hat und ihrem Enkelsohn erzählen kann.

Der Autor lässt seine Protagonistin nicht linear erzählen, sie springt in einer langen Zeitspanne vor und zurück, wobei immer wieder andere Ausschnitte des Lebens in den Ozarks gezeigt werden. Biografisches mischt sich mit historischen Fakten, wobei lediglich Bruchstücke aneinandergereiht werden. Aber genau das macht Woodrells meisterhaften Stil aus, der es dem Leser überlässt, die Leerräume zu füllen. Jedes einzelne Wort wird aufgesaugt, und so reichen ihm 188 Seiten völlig aus, um nicht nur Alma eine Stimme zu geben, sondern auch das Soziogramm dieser Kleinstadt in den Ozarks zu erstellen.

Daniel Woodrell ist ein Ausnahmeerzähler, und wie alle seine bisherigen Romane ist auch „In Almas Augen“ ein klarer Favorit für mein Buch des Jahres!

Kommentare

parden kommentierte am 04. April 2014 um 13:57

Ich will auch unbedingt noch mehr lesen von Daniel Woodrell!