Rezension

wenn ein Moment das Leben verändert

Hagard - Lukas Bärfuss

Hagard
von Lukas Bärfuss

Bewertet mit 4 Sternen

[Hagard, Beizvogel, der zur Zeit der Gefangennahme das Alterskleid trägt.] aus www.deutsches-jagdlexikon.de

Philip ist erfolgreich, gewandt, gewieft. Für die Organisation hat er Vera, sonst hat er Belinda. Sein kleiner digitaler Freund hält ihn auf dem Laufenden, was sich in der Welt abspielt. Als ihm unerwartet ein Termin platzt, beginnt er aus einer Laune heraus eine Frau zu verfolgen. Sie ist ihm unbekannt, nicht mal ihr Gesicht wird er je zu sehen bekommen. Seine Beweggründe sind nicht nachvollziehbar. Schon bald werden seine Entscheidungen immer unvernünftiger, vom Zufall gesteuert.

Was als Spiel beginnt, zieht uns bald in einen Strudel von Ereignissen. Die Uhr bleibt stehen, der Handyakku geht langsam gegen Null. Philip ist plötzlich wie aus Zeit und Raum gefallen. Ohne das starre Korsett von Terminen und Verbindlichkeiten, ohne das digitale Netz der Erreichbarkeit und des Informationsaustausches begibt sich Philip auf eine irrwitzige zwei Tage andauernde  Reise in den physischen und psychischen Untergang.

So wie Philip der Unbekannten hinterherjagt, so sucht der Erzähler die Figur des Philip zu fassen. Er lässt ihn gerne auch mal für eine ganze Weile an einem Ort zurück, kann ihn nicht gehen lassen, bevor er begreifen kann, was Philip umtreibt.

Die ganze Geschichte wirkte auf mich surreal, fast wie ein Traum, und lässt mich etwas ratlos zurück. Der Verlust der Realität, Obsession und Triebhaftigkeit fernab jeglicher Vernunft verwirrt mich. Liegt unser saturiertes Leben tatsächlich nur ein paar wenige Momente entfernt von Wahnsinn und Chaos. Ich mag das so  nicht ganz glauben.