Rezension

Wenn eine Klassenfahrt ins finnische Moor zum Albtraum wird - ein packender und beklemmender Jugendthriller

Kalt - Eric Berg

Kalt
von Eric Berg

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt:

Acht Internatsschüler fahren im Rahmen einer Exkursion ihres Biologie-Leistungskurses nach Finnland in den Patvinsuo-Nationalpark, um dort bei einem Projekt zur Rettung der finnischen Moore mitzuhelfen. Sie werden von ihren beiden Lehrern Dr. Brecht und Mrs Greenwood begleitet und vor Ort von dem jungen, attraktiven Nooa betreut, der sich in dieser Moorlandschaft auskennt, den Schülern erklärt, was bei der Renaturierung eines Moores zu tun ist und sie auch über die Gefahren aufklärt, die im Moor lauern. Eindrücklich zeigt er ihnen, was passiert, wenn sie die Markierungen verlassen und in eines der tückischen Moorlöcher geraten, aus denen man sich nicht mehr aus eigener Kraft befreien kann.
Kurz nachdem sich die Schüler in dem Biwak eingerichtet haben, in dem sie während ihrer Exkursion unterkommen, verschwindet ihr Biologielehrer Dr. Brecht plötzlich spurlos. Hatte er genug von den geschmacklosen Streichen, die ihm schon am ersten Tag gespielt wurden? Es sieht dem verantwortungsbewussten Lehrer allerdings gar nicht ähnlich, sich einfach stillschweigend aus dem Staub zu machen. Da sie keine Spur von ihm finden können und in diesem abgelegenen Teil Finnlands keinen Handyempfang haben, beschließt Mrs Greenwood, in die nächstgelegene Stadt zu fahren, ihren Kollegen bei der Polizei vermisst zu melden und die Schule zu informieren. Allerdings kehrt sie nicht mehr zurück, sodass die acht Teenager mit ihrem Betreuer Nooa, der kaum älter ist als sie, nun völlig auf sich allein gestellt sind. Sie stecken ohne ein Fahrzeug in diesem Lager inmitten des Moores fest, und da es inzwischen auch noch zu schneien beginnt, werden sie außerdem bald eingeschneit sein.
Einige Schüler genießen es, endlich ohne ihre Lehrer ausgiebig feiern zu können und kosten ihre Freiheit in vollen Zügen aus. Doch die Lage droht zu eskalieren, als einer von ihnen tot aufgefunden wird. War es nur ein tragischer Unfall oder etwa Mord? Und wer hat die Pflöcke mit den Markierungen versetzt? Ist vielleicht der unheimliche Nationalparkwächter, der ganz in der Nähe in einer einsamen Hütte lebt, für all diese rätselhaften Vorkommnisse verantwortlich? Oder ist einer von ihnen vielleicht ein Mörder?

Meine persönliche Meinung:

Ich habe vor ein paar Monaten Eric Bergs Kriminalroman Das Küstengrab gelesen, und da er mir sehr gut gefallen hat, wollte ich unbedingt mehr von diesem Autor lesen. Bei Eric Berg handelt es sich um das Pseudonym des Schriftstellers Eric Walz, der bereits zahlreiche historische Romane veröffentlicht hat und unter dem Namen Eric Berg Kriminalromane sowie Jugendthriller schreibt. Obwohl ich der Zielgruppe schon seit ein paar Jahrzehnten entwachsen und bei Jugendbüchern immer ein bisschen skeptisch bin, habe ich mich nun für Eric Bergs Jugendthriller Kalt entschieden, denn der Klappentext klang sehr vielversprechend und interessant. Ich habe diese Entscheidung nicht bereut, denn Kalt hat mich wirklich überzeugt und war spannender als ich dachte.
Besonders beeindruckt war ich von dem Schauplatz, an dem die Geschichte spielt. Moorlandschaften sind ja wunderschön, so gefährlich wie ihr Ruf sind Moore auch nicht, aber dennoch sind sie immer ein wenig unheimlich, geheimnisvoll und auch bedrohlich und bieten somit natürlich die perfekte Kulisse für einen gruseligen und packenden Thriller. Dem Autor ist es sehr gut gelungen, die finnische Moorlandschaft vor den Augen des Lesers Gestalt annehmen zu lassen und die Gefahren, die im Moor lauern können, sehr eindrücklich zu beschreiben. Besonders beklemmend ist jedoch die Abgeschiedenheit des Patvinsuo-Nationalparks. Als die beiden Lehrer plötzlich spurlos verschwinden und die Jugendlichen auf sich alleine gestellt sind, keine Möglichkeit haben, Hilfe zu holen oder diesen Ort zu verlassen und mitten im Mai dann auch noch starke Schneefälle einsetzen und sie bald eingeschneit sein werden, ist diese bedrohliche Situation, aus der es kein Entkommen zu geben scheint, sehr gut nachvollziehbar und äußerst beängstigend. Hinzu kommt, dass ganz in der Nähe der Wächter des Nationalparks lebt, der ein recht unangenehmer und unheimlicher Zeitgenosse ist und ihnen offenbar auch nicht helfen will. Doch die eigentliche Gefahr geht nicht von der Kälte, dem Schnee, dem schlammigen Untergrund des Moores und den kaum wahrnehmbaren tückischen Moorlöchern aus, sondern lauert innerhalb der Schülergruppe, die nun mit ihrem Betreuer Nooa, der kaum älter ist als sie, in diesem Biwak eingeschlossen sind.
Eric Berg hat sich sehr viel Mühe gegeben, seine Charaktere präzise und psychologisch ausgefeilt auszuarbeiten. So beginnt jedes Kapitel mit einer Art Zeugenaussage, in denen nicht nur Schüler zu Wort kommen, die an der Exkursion teilnahmen, sondern auch ihre Mitschüler, Freunde und Geschwister. In diesen Passagen erfährt man zunächst nur wenig über das, was im finnischen Moor tatsächlich vorgefallen ist, lernt die acht Schüler aber besonders gut kennen, erhält Einblicke in ihr Leben, ihre Gefühle und Gedanken und erfährt auch, warum sie im Internat sind. Die Schicksale und Lebensgeschichten der Jugendlichen waren teilweise sehr berührend und nehmen in diesem Jugendroman einen sehr breiten Raum ein. Auf den ersten Blick scheinen manche Details nichts mit den Geschehnissen in Finnland zu tun zu haben, liefern allerdings die Erklärung für das Verhalten der Schüler und für die Konflikte, die während dieser Exkursion zutage treten. Dass die Situation im Lager so eskaliert, liegt nicht nur an den äußeren Umständen und der Abgeschiedenheit im Moor, sondern auch daran, dass es zwischen den Schülern immer wieder zu Streitigkeiten, Machtkämpfen und Eifersuchtsszenen kommt. Besonders unter den Mädchen enfacht sich ein erbitterter Kampf um die Gunst des guttaussehenden Betreuers Nooa, von dessen Charme sie sofort hingerissen sind. Teilweise sind diese Zickenkriege unter den Schülerinnen schon ein wenig anstrengend, aber dennoch sehr authentisch und glaubwürdig. Der charismatische Nooa versteht es, jeden für sich einzunehmen und imponiert auch den Jungs. Doch ein paar weigern sich auch, sich von ihm etwas sagen zu lassen, genießen es, dass die Lehrer endlich weg sind und wollen sich den Spaß von Nooa nicht vermiesen lassen. Abgesehen von Franzi, einem Mädchen, das ebenfalls in Nooa verliebt ist, sich an den Zickereien jedoch nicht beteiligt, und Lasse, einem Jungen, der sich von Nooa verstanden fühlt und endlich den Mut findet, sich zu seiner Homosexualität zu bekennen, waren mir diese jungen Menschen allerdings nicht besonders sympathisch. Einige der Jugendlichen verhalten sich äußerst merkwürdig, scheinen auch zu abscheulichen Grausamkeiten fähig zu sein, sodass der Verdacht immer wieder geschickt auf eine andere Person gelenkt wird, als es den ersten Toten gibt.
Was tatsächlich während dieser Klassenfahrt passiert ist, erfährt man Stück für Stück in den Rückblenden einiger Exkursionsteilnehmer, vor allem von Franzi, die eine recht gute Beobachtungsgabe hat und erschreckende Details offenbart.
Es hat mir sehr gut gefallen, dass der Autor jeder seiner Figuren, auch den Freunden, Mitschülern und Geschwistern, die sich zu den Geschehnissen äußern, eine individuelle Sprache verliehen hat und sie somit zu unverwechselbaren Charakteren macht. Natürlich verwendet er dabei, je nachdem, wer sich zu Wort meldet, eine mitunter recht flapsige Jugendsprache, was die Authentizität jedoch unterstreicht und auf den ersten Seiten dieses Thrillers auch geradezu herzerfrischend amüsant war.
Obwohl Eric Berg den Verdacht immer wieder auf eine andere Person lenkt und einige falsche Fährten legt, war mir irgendwann klar, wer der Täter ist, sodass die Spannung ein wenig gelitten hat. Trotzdem war dieses Buch nie langweilig und hat mich bis zum Schluss gefesselt. Ein wenig schade fand ich auch, dass das Motiv des Mörders mir bis zuletzt nicht einleuchten wollte, obwohl er am Ende selbst zu Wort kommt und über seine Taten spricht. Die letzten Seiten, die aus der Sicht des Täters geschildert werden, waren jedoch äußerst verstörend. Vor allem der letzte Satz jagte mir noch einen gewaltigen Schauer über den Rücken.
Mir hat Kalt von Eric Berg sehr gut gefallen, für so manchen Gänsehautmoment gesorgt und ist auch für erwachsene Leser eine kurzweilige Lektüre und durchaus empfehlenswert.