Rezension

Wenn Liebe zum Verhängnis wird

Stolen Mortality
von Jennifer Benkau

Bewertet mit 4 Sternen

Eine Welt voller Dämonen und nur wenige wissen Bescheid! Auch die malerische Idylle Glen Merthas im Norden Schottlands kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Grat zwischen Gut und Böse ungeheuer schmal ist. Die Menschheit führt Kriege gegeneinander, Vampire saugen Blut und das Volk der Kienshi labt sich am Prana, der Lebensenergie von Mensch und Vampir. Auch Jamian und Junias Bryonts gehören zu jenen Wächtern der Nacht, den Unamjua-Oidhche, die die Finsteren im Zaum halten und ein beinahe friedliches Miteinander in den Highlands ermöglichen. Der Tod des Vaters beraubte sie ihrer Jugend und konfrontierte sie schon früh und unvorbereitet mit der Bürde und Verantwortung ihres Erbes. Die Kienshi, asiatischen Ursprungs einst im engen Zusammenhang mit Kampf- und Meditationskunst, Heil- und Körperkunde entstanden, sind temperamentvolle Persönlichkeiten, mutig und stark. In ihrer Individualität neutralisiert, ihre Lebensenergie zerstört und immun gegen Vampirmächte, sind sie den Blutsaugern nicht selten überlegene Gegner. Mit geschärften Sinnen, enormer Körperkraft und Geschwindigkeit, sorgen die Wächter und Jäger für Sicherheit und Ordnung.
Jamian hat einen guten Weg zwischen Gesetz und Freiheit gefunden. Vampire arrangieren sich mit seinen Regeln und die Menschen führen ein glückliches, wenn auch in der Regel ahnungsloses Dasein. Auch Junias wurde mittels eines speziellen Serums aus den Laboratorien des Senats der Kienshi vorzeitig zum Vertreter seines Volkes gewandelt. Zu früh? Junias verliert bei der Aufnahme von Prana die Kontrolle und tötet einen Menschen. Die Konsequenz gültiger Gesetze wäre sein unausweichlicher Tod. Doch Jamian steht vor dem Senat für seinen Bruder ein und nimmt alle Verantwortung auf sich. Wie schon zuvor Junias Wandlung betreffend, plädieren auch dieses Mal der Oberste Senator im Rat der Kienshi, Ian Drawn, sowie dessen Tochter Sinead verstärkt dafür, die gebührende Strafe alsbald umzusetzen. Jamian wird ein Unsterblicher. Weder Jamian noch Junias wissen um eine alte Prophezeiung des Propheten Jean de Saint-Rémy, die offensichtlich ihre Familie betrifft. Umso verbissener jagen der Oberste Senator und der Anführer der Partisan, eine Gruppe rebellischer Vampire, der Bedeutung dieser Legende hinterher. Als Vampirin Laine in Glen Mertha Einzug hält, ist die Gefahr für die beiden Brüder nahezu greifbar. Doch Laine verbindet mehr mit den Bryonts, als nur der Auftrag des gefährlichen Vampirs Jonathan. Das Schicksal entscheidet schließlich über Leben und Tod …

JENNIFER BENKAU startet ihre Geschichte um die Brüder Bryonts, Kienshi und Vampire in medias res. Die Autorin zäumt das Pferd von hinten auf, setzt Charaktere und Umstände in Intro und folgenden Kapiteln als gegeben voraus und findet erst später im Verlauf der Handlung Raum, die Hintergründe und Zusammenhänge zu klären. Zu Beginn des Geschehens wirkt die Fülle an Fakten ein klein wenig einschüchternd, facht allerdings auch Spannung und Neugier unglaublich an. Viele Fragen drängen sich dem Leser auf und suchen nach Antworten. Die Seiten verfliegen nicht zuletzt dank des flüssigen Schreibstils, der modernen Sprache und der Eigendynamik der Vorkommnisse im Nu. Erzählt werden die insgesamt achtundzwanzig Kapitel in dritter Person Singular aus wechselnden Perspektiven. Neben Seitenhieben auf politischen Amtsmissbrauch, Willkür, Gier nach Geld und Macht, sogar Folgen und Gefahren der Gentechnik und des Klimawandels, spielt vor allem die mystische Romantik eine große Rolle. Die Charaktere sind vielfältig, ihre Gedanken und Handlungen unterstehen Emotionen und glaubwürdigen Widersprüchen. Umso lebendiger und nachvollziehbarer sind ihre Eigenarten und Entscheidungen. Nicht nur einmal nimmt die Geschichte eine unerwartete Wendung. Die Überraschungen sind teils komisch, teils tragisch und mitunter erschreckend brachial. Genau mit dieser Spannbreite an Möglichkeiten, weiß JENNIFER BENKAU immer wieder gekonnt umzugehen. In ihren Büchern wird es nie langweilig. So muss sich STOLEN MORTALITY als Auftakt ihrer Schriftstellerkarriere auch nicht hinter anderen Titeln verstecken. Der Roman lässt viel Potenzial zur Spekulation und regt die Phantasie der Leserschaft an. Sogar noch über das abschließende Outro hinaus! So dürfen die Leser auf eine gegebenenfalls folgende Fortsetzung der Ereignisse gespannt sein.

STOLEN MORTALITY erscheint als großformatige Broschur im Sieben Verlag. Das geschmackvoll gestaltete Cover in eher düsterer Erscheinung, insbesondere der bedeutungsvolle Blick der jungen Frau des Motivs, passt bestens zum Inhalt des Romans. Ein klein wenig Sehnsucht, ein bisschen Erschrecken, ausreichend Raum für eigene Interpretationen. Die Kapitel sind mit knackigen Überschriften versehen, der Text gewinnt durch hübsche Szenentrenner Struktur. Die Rückseite des Buches verrät, worum es in der Geschichte geht, Nachwort und Information zur Autorin runden das Werk ab.

Fazit:

STOLEN MORTALITY – ein englischsprachiger Titel aus der Feder einer deutschen Autorin. JENNIFER BENKAUs Erstlingswerk weiß ebenso zu überzeugen, wie ihre beliebten Folgeromane. Interessant konstruiert, voller Emotionen, ohne Scheu vor Dramaturgie und Blut. Lediglich der scheinbar typische Humor ihrer späteren Arbeiten gestaltet sich noch weniger griffig und schwarz. Das tut der abwechslungsreichen, teils mit überraschenden Wendungen gespickten Unterhaltung jedoch keinen Abbruch. So bleibt diese Romantasy nicht allein nur den Fans der Autorin vorbehalten, sondern ist für jeden Leser dieses Genres ein Gewinn.