Rezension

Werdegang eines Massenmörders

Still Chronik eines Mörders - Thomas Raab

Still Chronik eines Mörders
von Thomas Raab

Bewertet mit 5 Sternen

Zu verfolgen ist der Werdegang des fiktiven Massenmörders Karl Heidemann von seiner Geburt bis zu seinem Suizid im jungen Erwachsenenalter. Geboren wird er mit einem überempfindlichen Gehör, das für ihn jedes Geräusch zur unerträglichen Qual macht und ihn dazu verdammt, im schalldicht isolierten Keller aufzuwachsen, dauerhaft in Schweigen gehüllt. Im Alter von 10 Jahren wohnt er dem Freitod seiner Mutter durch Ertrinken im See bei und erkennt, wie friedlich und schön der Tod sein kann. Getrieben von der Vorstellung, auch anderen ein solches Geschenk der Ruhe und des Friedens zuteilwerden zu lassen, beginnt Karl, auf nächtlichen Streifzügen andere Menschen und Tiere zu töten - die beste Freundin seiner Mutter, die ihr den Liebhaber ausgespannt hat, die Großeltern mütterlicherseits, den erwähnten Geliebten, eine Gruppe von Sonnenfinsternisanbetern, Mönche, den gewalttätigen Vater eines ihm zugeneigten Mädchens. In diesem liegt später auch der Schlüssel für den eigenen Freitod …

 

Im Klappentext wird die Geschichte treffend bezeichnet als Fallstudie, Psychogramm, literarisches Porträt. Das eigentlich Faszinierende und dem Autor so gut Gelungene ist, das uns der Protagonist niemals als die „Bestie“ erscheint, für die er gemeinhin gehalten wird. Karl hat seine eigenen Wertvorstellungen und seine Mordmotive werden logisch und nachvollziehbar dargestellt. Interessant ist die oft religiös untermalte Sprache, wie überhaupt viele christliche Bezugnahmen eingestreut sind. Beispielhaft hervorgehoben sei hier die Gliederung des Romans in die drei Teile „Glaube“, „Liebe“, „Hoffnung“, also die drei theologischen Tugenden.

 

Ein blutrünstiger Thriller steht nicht zu erwarten, wohl aber ein ungewöhnliches Buch.