Rezension

Wie aus dem Leben gegriffen

Ein ganz neues Leben
von Jojo Moyes

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt:

Nach dem Tod von Will versucht Louisa wieder Fuß zu fassen. Sie reist umher, trägt Wills Andenken mit sich und versucht ihrem Leben einen Sinn zu geben. Die Reisen jedoch bleiben letztlich nur eine Flucht vor der Vergangenheit. Will hat eine Leere hinterlassen, die sich nicht füllen lässt.

Eines Abends balanciert Lou vom Alkohol benebelt auf dem Rand ihrer Dachterrasse. Sie stürzt in die Tiefe. Ihr Fall wird durch eine Luxusliege im Untergeschoss gebremst; leider nicht ausreichend, so dass sie nicht eine schwere Verletzung erleidet. Von diesem Tag an ändert sich in Lous Leben alles.

Plötzlich sieht sie für Bruchteile, wie Will sich gefühlt haben muss. Das Schicksal sorgt dafür, dass der Sanitäter, der in diesen ängstlichen Stunden ihre Hand hielt erneut in ihrem Leben auftaucht. Und dann gibt es da noch dieses junge Mädchen, welches plötzlich vor ihrer Tür auftaucht und behauptet, die Tochter von Will zu sein.

 

Wichtigste Charaktere:

Louisa ist ein Mensch, der das Leben nimmt, wie es kommt. Ihre Schwester wirft ihr vor, dass sie ein ausgeprägtes Helfersyndrom hat.

Sanitäter-Sam hat durch seinen Beruf schon einiges erlebt. Er besitzt eine unglaubliche Ruhe und Hartnäckigkeit mit der er Probleme angeht.

Lily ist auf den ersten Blick ein typischer Teenager. Sie verhält sich „schwierig“, weil sie nicht über ihre Probleme spricht und den Weg geht, den sie für richtig hält.

Treena ist Louisas Schwester. Sie nennt die Dinge unverblümt beim Namen, versucht ihre Schwester mit Hartnäckigkeit wieder auf die richtige Bahn zu schubsen. Sie steht mit beiden Beinen im Leben.

 

Schreibstil:

Mit einem lockeren Schreibstil führt Jojo Moyes durch ihren Roman und rundet ihn durch stellenweise humorvolle Dialoge ab.

In diesem Roman trifft man als Leser wieder auf „alte Bekannte“ wie den lebensfrohen Nathan, die durchsetzungsstarke Schwester Treena, die zivilisierten Eltern von Will (deren Leben sich nach dem Tod des Sohnes stark verändert hat) und Lous herzliche Eltern. Auch neue Charaktere werden eingeführt und gewinnen ebenso an Tiefe wie die, deren Leben wir bereits kennen.

Der Autorin gelingt es wieder einmal ihre Charaktere wie aus dem Leben gegriffen darzustellen. Es sind Menschen wie du und ich, die in Probleme hineingeraten, die der Alltag einem jederzeit stellen kann.

Lily, ein Teenager, der seinen Eltern nur Sorgen bereitet, weil sie ständig verschwindet und handelt, wie es ihr gerade in den Sinn kommt, erscheint dem Leser vielleicht genauso anstrengend, wie die Mutter sie darstellt.

Dann jedoch tritt Lou in ihr Leben, schenkt dem Mädchen Vertrauen und Geduld und plötzlich entfaltet sich dieser Charakter, zeigt, welche Geschichte dahintersteckt und ganz langsam bekommt man als wissender Betrachter ein ganz anderes Bild. Man versteht dieses junge Mädchen und fragt sich letztlich sogar: Wie können diese Erwachsenen so ungerecht zu ihr sein?

Jojo Moyes führt an die Wurzel der Probleme ihrer Charaktere. Sie zeigt, was Komplexität bedeutet und dass man immer eine Lösung finden kann, wenn man nicht aufgibt.

Zentrale Themen dieses Romans sind unter anderem schwierige Teenager, Eltern, die mit ihrem Leben überfordert sind, Ehepartner, die sich im Laufe der Zeit auseinandergelebt haben und was es bedeutet, wenn man niemanden hat, der einem in schwierigen Momenten zur Seite steht.

Die ersten Seiten benötigen vielleicht etwas, um in Schwung zu kommen. Zum Ende hin entfaltet der Roman jedoch eine Sogwirkung. Man möchte wissen, auf welche Art die Charaktere mit ihrem jeweiligen Schicksal umgehen, ob es ihnen gelingt zu einem „Happy End“ zu finden

 

Fazit:

„Ein ganzes neues Leben“ ist eine Geschichte, wie aus dem Leben gegriffen.

Mit ihrem leichten Schreibstil und der detaillierten Betrachtung des Lebens ihrer Charaktere sorgt die Autorin dafür, dass der Leser ganz nah dran ist, entlockt ihm ein Schmunzeln, erzeugt Empathie und Verbundenheit mit den Protagonisten.

Ganz große Schreibkunst.

 

Buchzitate:

Sie war mein absolutes Gegenteil. Sie kultivierte ihren Schmerz nicht oder fraß ihn in sich hinein. Sie schlug um sich, betrank sich, tat Gott weiß was, nur um ihn zu vergessen.
(Lou über Lily)

Alle Teenager sehen leidend aus. Das ist ihre Werkseinstellung.

Teenager können so grausam sein, dachte ich. Sie kennen keine Grenzen. Keine Angst.

„... Mit dem würde ich auf jeden Fall eine Nummer schieben“, sagte Lily, während ich aufschloss. „Das heißt, wenn ich alt wäre und ein bisschen verzweifelt. Wie du.“