Rezension

Wie ein Vogel fliegen lernt

Der freie Vogel fliegt 01 - Jidi

Der freie Vogel fliegt 01
von Jidi

Beschreibung:
„Jedes junge Mädchen kann in den Figuren in dieser Geschichte sich selbst wiederfinden.“ - Satonaka Machiko, berühmte japanische Mangaka, über „Der freie Vogel fliegt“

Inhalt Band 1

Das Mädchen Lin Xiaolu besucht in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts in der westchinesischen Stadt Chengdu eine Mittelschule mit Schwerpunkt Kunst und Gestaltung.
Während ihrer Grundschulzeit war sie von ihrem Vater und ihrer Klassenlehrerin zum „Taugenichts“ abgestempelt worden, weil sie astronomisch schlecht in der Schule war und lieber zeichnete als zu lernen.

Dem Augenschein nach wirkt sie etwas autistisch veranlagt, hinter ihrem ausdrucklosen Gesicht mit nicht zu deutender Miene verbergen sich jedoch eine reiche innere Gedankenwelt und eine Seele voller Imagination und Einbildungskraft.
Sie hat Angst vor dem Umgang mit anderen allzu lebendigen Mitgliedern der menschlichen Spezies und sie hat panische Angst davor, ins Blickfeld anderer Menschen zu geraten und sich vor ihnen blosszustellen.
Aber dennoch interessiert sie sich lebhaft für die Schicksale anderer Menschen. In ihrer Phantasie gibt es einen Schutzgeist, der sich im Verborgenen um den Kummer der Menschen rundherum annimmt und deren Probleme im Stillen löst.
Als sie klein war schwärmte sie für Saint Seiya, ein Held aus einem Manga, jetzt schwärmt sie für einen Jungen namens Han Che.
Doch selbst wenn morgen der Weltuntergang bevorstünde, so würde sie doch niemals ihre Gefühle gegenüber Han Che offenbaren …

Die Mitwirkenden:
Jidi und Ageng gehören in China zu den wichtigsten Comic-Künstlerinnen ihrer Generation. Für die Reihe Dianjiao zhangwang, die unter dem Titel „Der freie Vogel fliegt“ bei Chinabooks.ch in einer Übersetzung von Martina Hasse in deutscher Sprache erscheint, spannen die beiden im Team zusammen: Jidi als Szenaristin, von Ageng stammen die Bilder.
Quelle: chinabooks.ch

Meine Meinung:
Mit ganz viel Fingerspitzengefühl haben Jidi und Ageng eine Graphic Novel geschaffen, die unter die Haut geht.
Erzählt wird die Geschichte der zurückhaltenden Lin Xiaolu, die durch die Scheidung ihrer Eltern am eigenen Leib erfahren muss, wie sie dadurch zu einer Außenseiterin wird.
Sie hat sehr viel Fantasie - in ihren Gedanken ist sie in einer Anime- und Mangawelt - und fühlt sich in ihrer Schule unwohl, hat sie doch eine künstlerische Ader, die sie nicht ausleben kann.
Auch die Lehrer sind keine Hilfe, mit strenger Hand regieren sie über die Kinder und führen sie vor, wenn jemand nicht die Leistung erbringt, die sie erwarten.
Lin flüchtet immer mehr dorthin, wo ihr niemand wehtun kann, wobei sie sich in der Realität in einen Jungen namens Hàn Chè verliebt, den sie aber nicht anspricht.
Sie wird zur stillen Beobachterin, und kommt, ohne es zu merken, langsam aus ihrem Schneckenhaus.

Lin wird sehr kindlich dargestellt. Durch ihre immense Fantasie flüchtet sie immer wieder vor der Wirklichkeit und träumt sich aus dem grauen (Schul) Alltag, der nichts Positives an sich hat.
Hier taucht man in chinesische Gewohnheiten und das Leben an sich ein; und man stellt schnell fest, dass die dortigen Regeln ganz anders sind als hier.
Man fühlt mit Lin mit und hofft für sie, dass sie in ihrem weiteren Dasein Glück und Zufriedenheit findet.

Die Reihe (in sechs Bänden angelegt) beschreibt in teils autobiografischen Zügen Erinnerungen der Autorin, was das Ganze noch interessanter macht.

Die beiden Comic-Künstlerinnen haben mit ihrer Geschichte eine Menge Botschaften transportiert.
Es geht um das Erwachsen werden, die erste Verliebtheit, Einsamkeit, Selbstfindung und Verwirklichung und die Frage, was wir aus unserem Leben machen.

Berührend, wunderschön mit kleinen Details gestaltet und mit einer großen Portion Fantasie.