Rezension

Wie weit gehst du für die Liebe?

Wir wollten nichts. Wir wollten alles. - Sanne Munk Jensen, Glenn Ringtved

Wir wollten nichts. Wir wollten alles.
von Sanne Munk Jensen Glenn Ringtved

Bewertet mit 5 Sternen

Nachdem ich den Buchtrailer zu "Wir wollten nichts. Wir wollten alles"gesehen habe, stand für mich fest: Das Buch muss ich lesen! Der Trailer ging mir mehrere Tage lang nicht aus dem Kopf, mehrmals schaute ich ihn mir an. Aus dem Bauchgefühl formte sich eine Entscheidung. Das Buch zog bei mir zu Hause ein.

Heute, beim Tippen der Rezension, habe ich mir den Trailer wieder angeschaut. Diesmal mit einem anderen Blick darauf. Und finde ihn sogar noch besser!

"Ja? Wie geht es dir bei dieser ganzen Geschichte?"
Ich schnaubte. Schüttelte den Kopf.
"Na ja, Liam geht es scheiße, also natürlich..."
"Ja, Liam", unterbrach sie mich wieder. "Aber was ist mit dir, Louise? Es sieht aus, als würdest du bei der ganzen Sache überhaupt nicht an dich denken."
S.167

Was treibt ein junges Mädchen aus gutem Haus in den Selbstmord?
Obwohl die Geschichte von hinten aufgerollt wird, verliert sie nicht an Spannung - Geheimnisse zum aufdecken scheint es genug zu geben. Fallende Andeutungen, die Frage nach dem großen "Wieso" und der flüssige, jugendliche Schreibstil treiben den Leser voran.
Dazu der wachsende Drang die ganze Geschichte zu kennen ist.

Während die Geschichte aus Luises Sicht erzählt wird, als beobachtende Stimme aus dem Jenseits, reflektiert sie in einem Erzählstrang ihre Vergangenheit, während sie in der Gegenwart das Gefühlsleben ihrer Eltern widergibt.
Wie kommen die beiden mit dem Selbstmord ihrer siebzehn jährigen Tochter klar?
Und was ist besser? Mit der knallharten Wahrheit konfrontiert zu werden oder einfach zu vergessen und versuchen mit einer klaffenden Wunde weiterzuleben?

Während Luises Mutter Ulla wie betäubt auf die Scherben ihres bisheriges Lebens schaut, drängt es ihren Vater Gorm die ganze Wahrheit hinter der Tat zu verstehen. Es lässt ihm einfach keine Ruhe und er fängt an Nachforschungen zu betreiben.
Und während sich die Beiden zu verlieren drohen, deckt Gorm systematisch Luises Vergangenheit auf.
Wofür er am Ende einen hohen Preis bezahlen muss.

Doch auch Liams alleinerziehenden Vater Ian begleitet Luise. Auch er versucht auf seine Art und Weise mit dem frühen Tod seines Sohnes umzugehen. Und entdeckt dabei sich selbst.

Die sozialen Unterschiede der beiden Familien machen diese nicht starr und einseitig, sondern unterstreichen ebenso wie die verschiedenen Arten der Trauer die Glaubwürdigkeit der Geschichte.

Die zunehmend bedrückter, fast schon düster werdende Stimmung lassen Vermutungen anstellen, wie es dazu gekommen ist, wissen wir doch eh wohin das Ganze unweigerlich hinsteuern wird. Immer schneller wird das eigene Lesetempo, als wäre am Buchende ein Sog der seine Leser mitreißt, durch die Seiten wirbelt, dass einem davon schlecht wird. Oder liegt das am Gelesenen, dass bitter aufstößt? Schneller, immer schneller - der Sog will einen nicht loslassen. Es ist ein tosender, unerbittlicher Sog - rechnet am Ende mit am besten mit einem harten Aufprall, der zumindest meine Vermutungen zerschmettert hat. Und ganz anders war, als erwartet. Gleichermaßen faszinierend wie erschütternd!

Irgendwann hatte ich zu dem Buch den Vergleich zu "Romeo und Julia" gelesen und fand das ziemlich anmaßend. Jetzt, wo ich die Geschichte kenne, muss ich sagen, dass ich es verstehe!