Rezension

Williams erster

Nichts als die Nacht
von John Williams

Bewertet mit 3.5 Sternen

Das Leben des jungen Arthur Maxley scheint beherrscht von Müßiggang und einem nie verwundenen Trauma aus der Kindheit. Einen Abend, eine Nacht lang, folgen wir Arthur. Zunächst zu einem Dinner mit seinem Vater, den er viele Jahre nicht gesehen hat. Etwas Schwerwiegendes steht zwischen ihnen, Schuld und Scham lasten auf dieser Begegnung, deren hoffnungsloses und abruptes Ende einen Vorgeschmack gibt auf das verheerende Finale dieser Nacht. Die Straßen und Bars des nächtlichen San Francisco sind die Kulisse, vor der sich Arthurs innerer Abgrund auftut. Während er der sinnlichen Verführung durch eine fremde Schöne nachgibt, enthüllt sich Arthurs ganze existenzielle Not: Sein Begehren ist tiefer, als dass erotische oder sexuelle Erfüllung es befriedigen könnten. (dtv-Verlagsseite)

Von den vier Romanen, die John Williams hinterlassen hat, „Stoner“, dem Lebensporträt eines Intellektuellen, dem Abenteuerroman „Butcher’s Crossing“ und der Brief-Biographie des Kaisers „Augustus“, wurde nun sein Erstling als letzter ins Deutsche übersetzt.

Vier Romane unterschiedlicher Genre, angesiedelt in verschiedenen Regionen und Zeiten, mit je anderem Hintergrundmilieu und Personenkonstellation - das ist für einen Autor eher selten. Aber gemeinsam ist ihnen die literarische Qualität und Williams Können, seine Leser zu fesseln.

In Williams Debüt steht im Mittelpunkt die Verfasstheit eines jungen Mannes, von Beruf Sohn und Flaneur, der auf der Suche ist. Nach der Wahrheit, nach einem Lebensziel, nach Liebe – man würde heute sagen: Auf der Suche nach sich selbst, die bislang keinerlei Erfolge, sondern anscheinend nur Rückschritte aufzuweisen hat.

Im Umgang mit anderen verhält er sich oft abweisend, feindlich trotz seiner Sehnsucht nach Nähe; sein gesamtes Denken kreist um sich selbst und das Trauma, das ihn seit seiner Kindheit verfolgt.

Durch den simplen literarischen Trick, das Trauma-auslösende Geschehen erst relativ spät zu schildern, hält Williams das Interesse des Lesers wach, obwohl man nicht unbedingt mit Freude seinem Protagonisten folgt.

Betrachtet man das Alter des Autors und die Kriegserlebnisse, unter deren Eindruck er die Erzählung verfasste, muss man ihm Respekt zollen. Andererseits kann eigentlich nur ein junger Mann eine solche von „Sturm und Drang“ getriebene Figur entwickeln, in ihren Kopf schlüpfen und ihre tief in sich selbst schürfenden Gedanken nachvollziehen und in überbordender Sprache ausdrücken.

Persönlich ist Stoner mir bedeutend näher als Maxley, obwohl Williams präzise Figurenzeichung, die Schilderung eines schicksalhaften Dilemmas und der Handlungsbau des Debütromans nicht hinter seinen späteren Werken zurückstehen muss.