Rezension

Wir lieben Monster - ganz ehrlich!!!

Menschen brauchen Monster - Hubert Filser

Menschen brauchen Monster
von Hubert Filser

Bewertet mit 4 Sternen

Seit Jahrtausenden ersinnen wir Ungeheuer und Fabelwesen, die uns zugleich Furcht einjagen und faszinieren. Wir brauchen sie, um unseren Ängsten eine Gestalt zu geben und sie so beherrschbar zu machen. Hubert Filser zeigt, wie jede Gesellschaft ihre eigenen Monster hervorbringt und was diese über die Menschen verraten, die sie erdacht haben. Ob Hundsköpfige, anmutige Sirenen oder Dracula – eins verbindet all diese schaurigen Kreaturen: Sie sind ein Spiegelbild gesellschaftlicher Strömungen und sagen viel darüber aus, was zum Zeitpunkt ihrer Entstehung als normal galt und was nicht. Monster sind anders, wild und unberechenbar – und deshalb ungemein spannend! (Piper-Verlagsseite)

„Der Mensch ist das einzige Lesewesen auf diesem Planeten, das sich über Gestalten austauscht, die es gar nicht gibt. Monster markieren somit den Beginn der Fiktion oder sind zumindest der älteste Beleg dafür.“ (S. 22)

Monster sind so alt wie der Mensch. Das scheint uns für vergangene Zeiten absolut logisch, als man Naturphänomene noch nicht wissenschaftlich erklären konnte und eine Art Sündenbock für das brauchte, dem der Mensch ohnmächtig ausgeliefert war, Wetter, Krankheiten, Missernten, usw. Folgerichtig wandelten sich Aussehen und Wirksamkeit der Monster mit der Entwicklung der Menschheit. Doch losgeworden sind wir sie bis heute nicht. Komischerweise, denn in unserer Zeit hat sich ihre Nicht-Existenz eigentlich längst bewiesen. Sollte man meinen.
Aber: Monster sind die einzigen Wesen, die jeder Mensch kennt. Auch wenn sie für jeden eine andere Bedeutung, ein anderes Gesicht haben.

Angst gehört zu den menschlichen Basisemotionen und ist lebensnotwendig. Ebenso wie die Lust. Beides trägt zur Erhaltung der Spezies bei. Filser zeigt die Verknüpfung der beiden, die wir alle schon einmal erlebt haben: Es ist ein Lust-ähnliches Gefühl, wenn etwas, das als Drohung wahrgenommen wird, auf einmal erleichtert als harmlos erkannt wird (das Gespenst ist nur eine flatternde Gardine).

Monster, das waren in der Steinzeit reale Gefahren, die im Alltag drohten, das waren unbekannte Lebewesen, die man im Zeitalter der Entdeckungen auf anderen Kontinenten traf, das waren behinderte, verkrüppelte oder mit Anomalien geborene Menschen. Schließlich gehören auch Ausgeburten künstlerischer Phantasie dazu; man findet sie in Gemälden (Hieronymus Bosch) und in der Literatur (Bram Stoker). Manchmal lassen sich reale Ereignisse finden, die zur Legendenbildung und zur Personifizierung des Schrecklichen führten.

Filser hat ein interessantes und lehrreiches Buch geschrieben, das sich für ein Sachbuch außerordentlich lebendig liest. Monster-Zeichnungen von Peter M. Hoffmann beleben das Ganze darüber hinaus.
Der einzige Kritikpunkt: Es fehlen Fotos. An einigen Stellen beschreibt Filser Monster von den Höhlenmalereien über die Wasserspeier an gotischen Kirchen bis zu Meereswesen, die angespült wurden, und Landschaften und Regionen, die besonders heimatlich für Monster sind und waren. Hierzu hätte ich gern mehr gesehen.