Rezension

Wir sind die Toten

1984
von George Orwell

Bewertet mit 5 Sternen

In seinem dystopischen Roman „1984“ entwirft Orwell eine schreckliche Zukunftsvision: Die Welt ist aufgeteilt in die drei Supermächte Ozeaninen, Eurasien und Ostasien, die ständig Krieg miteiander führen. England und somit auch London – Handlungsort des Romans – gehören zu Ozeanien – ein totalitärer Präventions- und Überwachungsstaat. Die Menschenrechte sind dort rigoros eingeschränkt, es herrscht permanenter Mangel an alle möglichen Waren, die Bevölkerung wird in ständiger Angst gehalten und jeder bespitzelt jeden. Das System geht sogar so weit, die Gedankenfreiheit der Menschen zu beschneiden. An der Spitze des Systems steht ein scheinbar unsterblicher Führer – der große Bruder. Der Leser folgt nun Winston Smith, ein einfaches Parteimitglied, der im Wahrheitsministium arbeitet. Dort sorgt er dafür, dass die Vergangenheit der gegenwärtigen Parteilinie angepasst wird. Insgeheim hasst Winston die Partei aber und er beginnt immer öfter, das System zu hinterfragen. Sein innerer Widerstand bleibt aber nicht unbemerkt.

„1984“ ist für mich ein Klassiker, den jeder einmal gelesen haben sollte. Mich zumindest hat der Roman sehr beeindruckt und nachdenklich gestimmt. Orwell hat den Roman Ende der 40er Jahre, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg geschrieben und man merkt, dass der Roman unter dem Eindruck des Nationalsozialsmus, aber vor allem des Kommunismus entstanden ist. Orwell geht aber noch einen Schritt weiter und entwirft ein System, das noch diktatorischer und radikaler ist als alle Systeme zuvor. Es gibt überhaupt keine Privatsphähre mehr, sogar die Gedanken der Menschen werden überwacht und alles ist auf reinen Pragmatismus ausgelegt. Sogar die Sprache soll langfristig durch den sogenannten Neusprech ersetzt werden. Eine Sprache, die die Anzahl und das Bedeutungsspektrum der Wörter reduzieren soll, mit dem Ziel die Kommunikation noch besser kontrollieren zu können. Für Schönheit und Emotionen ist in dieser Sprache kein Platz mehr.

Extrem faszinierend fand ich die Atmosphäre, die Orwell in seinem Roman aufbaut: düster, beklemmend, eindringlich. Die ganze Zeit ahnt man, weiß man, dass es keine Hoffnung, kein happy End geben wird – auch wenn man sich das noch so sehr wünscht. Die Sprache ist sehr flott und modern, wenn auch anspruchsvoll. Obwohl das dramaturgische Tempo eher langsam ist und es längere Passagen zu gesellschaftstheoretischen Überlegungen gibt, fand ich den Roman durchgehend fesselnd. Am Ende steht man als Leser ein wenig allein gelassen da, mit vielen Fragen über die Gesellschaft, in der man lebt, im Kopf.

„Sie werden sich daran gewöhnen müssen, ohne sichtbare Ergebnisse und ohne Hoffnung zu leben. […] Es besteht keine Möglichkeit, daß zu unseren Lebezeiten eine sichtbare Veränderung eintritt. Wir sind die Toten.“