Rezension

Wirft ein erschreckendes und reales Bild auf die Beeinflussbarkeit eines Menschen

Der Junge auf dem Berg
von John Boyne

Bewertet mit 5 Sternen

Wie beeinflussbar ist ein Kind, welches in den ersten Jahren in einer heilen Welt, mit einer liebenden Familie und einem besten Freund zusammenlebt? Wie sehr kann dieser junge Mensch von nichts geringerem als Adolf Hitler und seinen Ideologien beeinflusst werden? John Boyne versucht diese Fragen in seinem neuesten Roman “Der Junge auf dem Berg” zu beantworten. Es ist dem Autor gelungen, ein spannenden und auch zum Nachdenken anregende Geschichte zu schreiben.

Pierrot wächst in seinen jungen Jahren in Paris auf. Dort hat er liebende Eltern und in Anschel einen besten Freund gefunden, der jüdischer Abstammung ist. Als beide Elternteile innerhalb von kurzer Zeit sterben, kommt er in ein Waisenhaus. Von dort wird er von seiner Tante nach Berchtesgaden geholt. Sie ist die Schwester seines deutschen Vaters und arbeitet als Haushälterin auf dem “Berghof”, das Erholungsdomizil von keinem geringen als Adolf Hitler. Dort gerät Pierrot, der sich ab sofort nur noch Peter nennen darf, schnell unter den Einfluss des charismatischen Führers. Dessen Ideologien gehören bald zu Pierrots Alltag und bestimmen sein Denken von früh bis spät. Es geht sogar so weit, dass er ihm nahe stehenden Menschen des Hochverrats beschuldigt.

Mich hat die Geschichte von Pierrot sehr berührt, aber auch nachdenklich gemacht. Ist es wirklich möglich, dass ein Mensch, ein Kind sich dermaßen verändern kann? Pierrot war ein kleiner Junge, der einen jüdischen Freund hatte. Ich mochte ihn zu diesem Zeitpunkt sehr gerne und hatte als er eine Waise wurde, auch Mitleid mit ihm. Aber die Zeit auf dem Berghof hat ihn verändert. Er fängt an die Uniform zu tragen, spielt sich gegenüber den Hausangestellten auf und spioniert sogar seine Tante und andere Vertraute aus. Die Folge ist ein großer Verrat und den Unmut oder auch Hass vieler Leute, den er sich einhandelt.

John Boynes Buch ist schon sehr beängstigend. Man stellt sich selbst als Leser die Frage, ob man als Kind so beeinflussbar gewesen wäre. Ich behaupte von mir ja immer, dass ich dieses System von vornherein abgelehnt hätte, da es gegen mein Menschen- und Weltbild geht. Aber ist das wirklich so? Muss uns nicht einfach nur der richtige (oder halt falsche) Mensch begegnen und uns ein paar “Flausen” in den Kopf setzen? Damit wir überzeugt sind, dass das System, auch wenn es noch so menschenverachtend ist, so richtig ist.

Ich fand es sehr erschreckend, wie schnell ein Mensch “überzeugt” werden kann. Egal, ob es in Form von Gehirnwäsche passiert oder wie hier, durch einen beeindruckenden Mann und vielleicht auch Vaterersatz. John Boyne hat bei diesem Buch Großartiges geleistet. Denn er hat ein beängstigendes Bild entworfen, und auf literarischem Weg gezeigt, wie beeinflussbar Menschen sind. Diese Geschichte war schön und grausam zugleich. Sie zeigt die Abgründe im menschlichen Sein. Aber Pierrot lernt. Zwar sehr spät, aber er lernt und er muss sich irgendwann mit sich selbst auseinandersetzen. Mit seinen Fehlern und den unverzeihlichen Dingen, die er getan hat.

Ich kann euch dieses Werk nur empfehlen. Es wird euer Herz berühren und euch erschrecken. Es wird euch fesseln und ihr werdet euch wahrscheinlich am Ende die selben Fragen stellen, die ich mir gestellt habe: Wie sehr kann ein junger Mensch von nichts geringerem als Adolf Hitler und seinen Ideologien beeinflusst werden?

Gerade in der heutigen Zeit, wo der Rassismus einen neuen Aufschwung erhält, sollte man sich mit Büchern dieser Art durchaus widmen. Sie regen zum Nachdenken und auch zur Selbstreflexion an. Für mich ist es ein wichtiges Buch, dass ich auch als Schullektüre sehr empfehlen kann.