Rezension

Witzig, oft skurril, phantasievoll - ein Buch, dessen Lektüre großen Spaß macht

Der Orkfresser - Christian von Aster

Der Orkfresser
von Christian von Aster

Bewertet mit 5 Sternen

»Der Orkfresser«, Christian von Asters neues Buch, ist mit seinen zuvor veröffentlichten Fantasy-Titeln wie »Der Letzte Schattenschnitzer« und »Das Eherne Buch« nicht zu vergleichen; obwohl in der Hobbit Presse, der Fantasy-Abteilung des Verlags Klett-Cotta, erschienen, ist das Buch keine Fantasy, aber ein Titel voller Ideen, eine Art Hohes Lied der Phantasie.

Der »Orkfresser« aus dem Titel des Buchs ist der Fantasyautor Aaron Tristen, der zum Ende einer Lesung aus seinem Werk eine Gruppe Orks verprügelt: als Orks verkleidete Studenten, Rollenspieler, die sich, vom Verleger eingeladen, »für einen Abend dankbar an einem Gratisbüfett herumdrücken und für einen Bruchteil dessen, was eine Agentur in Rechnung stellen würde, das Publikum bespaßen« (S. 9 f.). Tristen liest aus seinem neuen Werk »Engel gegen Zombies II: Moderne Schwingen«, einer »Mischung aus Engel-SM, Zombieselbstfindung und ätherischer Wunderlanddystopie« (S. 17). Tristen ist ein wahrer Erfolgsautor, verdient gut, doch das Ganze hat einen Schönheitsfehler: Er hält das, was er schreibt, für Schund, routiniert in Szene gesetzt und auf die Erwartungen seines Verlegers und des Publikums hin geschrieben; er weiß, dass er sich von dem, was er einmal schreiben wollte, weit entfernt hat, dass er sich selbst untreu geworden ist. Wegen der Abgabe seines neuen Manuskripts unter Druck gesetzt, flieht er in eine andere Stadt, gerät dort in einen Rockerkrieg und kommt mit Hilfe eines alten Freundes in Kontakt zur Schreibgruppe eines orientalischen Erzählers, der seinen Schutzbefohlenen das Reich der Literatur und Phantasie erschließt.

Der erste Teil des Romans hat durchaus auch Elemente einer Satire des Literaturbetriebs, sofern dieser primär auf Massenproduktion und wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtet ist, inklusive der Leserin (Saskia, Nickname: Lady Schimmerschwinge), deren begeisterte »Rezession« (S. 119 f.) u. a. lobt, dass der Autor die Spannung bis zum Ende ›aufrechterhellt‹. »Das letzte Buch das mich derart berührt hat, war Drachendirne von P. T. Scrotch, meinen anderen Lieblingsautor.« Von Aster hat sich offenbar in Leserforen umgesehen, wo es immer wieder solche Besprechungen gibt.

Im zweiten Teil betreibt von Aster verstärkt ein Spiel mit den Identitäten der Protagonisten seines Romans, regelmäßig auch mit einem Augenzwinkern. Immer wieder muss Tristen erkennen, dass unter dem äußeren Erscheinungsbild der Personen anderes steckt, als er zunächst angenommen hat. Jemand, der scheinbar abends Pornos guckt, arbeitet an einem Buch »über die veränderte Wahrnehmung der Frau im Hinblick auf die sexuelle Mündigkeit des Individuums in der westlich geprägten Medienwelt im Zuge der Entwicklung pornografischer Subkultur vom 20. bis zum 21. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung des Internets, erschwerter Monetarisierung sowie selbst generierter Inhalte«. »… du ahnst nicht, was man sich da alles anschauen muss. Hab schon mehr als einmal gedacht, dass ich es nicht mehr aushalte. Man fragt sich manchmal wirklich, was in gewissen Leuten so vorgeht«, sagt er zu Tristen (S. 229 f.). Ein etwas tumb wirkender scheinbarer Kleinkrimineller hat einen Fantasyroman in der Schublade, wie ihn Tristen gerne geschrieben hätte. Und auch der orientalische Geschichtenerzähler ist jemand anders, als er zu sein schien. Identitäten sind nicht eindeutig und mit Hilfe der Phantasie gewinnt man manchmal, wenn man die Chance ergreift, die Möglichkeit, sich neu zu erfinden, wie Tristen lernt.

Das Ganze ist in witzig-schnoddrigem Ton erzählt, voller oft skurriler Einfälle. Nach einiger Zeit habe ich mich gefragt, ob der Autor das wirklich bis zum Ende durchhalten kann, und die Antwort war: Ja, das kann er! »Der Orkfresser« ist ein Buch, das einfach großen Spaß macht. (Leseprobe und Blick in die Buchgestaltung unter: https://www.klett-cotta.de/media/14/9783608981216.pdf)

Kommentare

wandagreen kommentierte am 25. Februar 2018 um 22:23

Bücher, die einfach nur Spaß machen, braucht man immer wieder mal.

Steve Kaminski kommentierte am 25. Februar 2018 um 23:04

Ja, finde ich auch. Eine gewisse Aussage - die Möglichkeit der Selbstveränderung bzw. sich neu zu erfinden - scheint es mir auch zu haben.