Rezension

Wo ist Silvana?

Ihr einziges Kind - Barbara Wendelken

Ihr einziges Kind
von Barbara Wendelken

Bewertet mit 5 Sternen

„...Für Nola ist das Offensichtliche nie gut genug...“

 

Im Prolog beobachten die 8 und 9jährigen Jungen Dustin und Philipp ein Pärchen beim Sex. Dustin verpflichtet Philipp über das Gesehene zu schweigen.

Der Arzt Cord Cassjen lässt Hauptkommissar Renke Nordmann kommen, weil sein wenige Tage alter Säugling verschwunden ist. Seine Frau Silvana reagiert merkwürdig. Sie scheint unter starken Medikamenten zu stehen Das Kind wird lebend gefunden. Doch wenige Tage später ist Dr. Cord Cassjen tot. Frau und Kind sind verschwunden.

Die Kommissare Nola und Renke machen sich auf die Suche. Dem Anschein nach hat Silvana ihren Mann erschossen. Es kann sein, dass die Polizei das Kind schützen muss, schützen vor der eigenen Mutter.

Die Autorin hat einen fesselnden und komplexen Krimi geschrieben. Die Geschichte lässt sich zügig lesen.

Im Team der Kriminalisten gibt es unterschiedliche Meinungen. Nola möchte sich nicht so schnell auf die Täterin festlegen. Obiges Zitat äußert ihr Kollege Conrad.

Die Kriminalisten treffen auf ein kompliziertes Beziehungsgeflecht. Renke kennt die Verhältnisse, da er dort aufgewachsen ist. Cords Mutter Margit leitet eine Schnapsfabrik. Sie bestimmt allein, was im Werk geschieht. Sie als herrschsüchtig zu kennzeichnen, wäre fast noch geschmeichelt. Cords Sohn Conrad war endlich der von ihr ersehnte Erbe. Zwar arbeitet ihre Nichte Tineke schon länger mit ihr zusammen, doch ihr traut sie die Leitung der Fabrik nicht zu. Die verschwundene Silvana hat vor ihrer Ehe mit dem Arzt ein bewegtes Leben geführt. Nola ist auf der Suche nach einem Mann, bei dem Silvana untergekommen sein könnte.

Der Schreibstil des Buches unterstützt den spannenden Handlungsablauf. Schnell wechseln Handlungsorte und Personen. Bei den Protagonisten zeigt sich, dass der schöne Schein drückt. Hinter der Fassade warten eine Menge Überraschungen. Das gilt nicht nur für die Vergangenheit. Als weitere Familien in das Geschehen involviert werden, werden auch dort familiäre Probleme offenbar. Ab und an haben die beiden Jungen aus dem Prolog einen kurzen Part. Philipp, in behüteten Verhältnissen aufgewachsen, fühlt sich zu den kaum kontrollierten Leben von Dustin hingezogen. Gut ausgearbeitete Dialoge sorgen für neue Erkenntnisse und einen Fortgang der Handlung. Natürlich darf ich als Leser jeden Umweg oder Irrweg mitgehen. Einen Blick von außen auf Margits Bekanntenkreis ermöglicht mir Ocko. Er war mit Margits Mann befreundet, arbeitet jetzt als Gärtner und pflegt aufopferungsvoll seine Mutter. Gleichzeitig sieht er die Schwächen und Probleme in Margits Umkreis. Margits derzeitiger Lebenspartner war Landrat. Ermittlungen in seine Richtung bedürfen Fingerspitzengefühl und werden von Nolas Vorgesetzten mit Argusaugen beobachtet. Zwischen Nola und Renke knistert es. Doch Renke hat die Trauer um seine Frau noch nicht aufgearbeitet.

Das Cover mit dem unbewohnten alten Haus weckt Interesse.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Die Autorin versteht es, einen hohen Spannungsbogen zu halten und die Psyche ihrer Protagonisten auszuloten.