Rezension

Würdest du alles aufgeben?

Und keiner wird dich kennen - Katja Brandis

Und keiner wird dich kennen
von Katja Brandis

Bewertet mit 5 Sternen

Stalking - ein Thema das in den letzten Jahren vermehrt in den Medien präsent war. Ab und zu hört oder liest man von Fällen, die nicht gut endeten und immer mehr vernimmt man, dass Opfer alleine dastehen, da der Polizei die Hände gebunden sind, wenn noch nichts wirklich Schlimmes geschehen ist. Dieses heikle Thema einmal in einem Jugendthriller "mitzuerleben", war für mich neu und besonders interessant.

Maja lebt mit ihrer Mutter Lila und ihrem kleinen Bruder Elias zusammen in Offenbach. In Lorenzo hat sie ihre grosse erste Liebe gefunden und alles könnte so perfekt sein, wenn da nicht die ständige Angst wäre . . . wenn sie nicht ständig von der Vergangenheit eingeholt würde . . .

Schon auf der ersten Seite realisiert man, dass im Hause Köttnitz etwas gar nicht in Ordnung ist. Maja kommt nach Hause und ihre Mutter sitzt reglos auf dem Sofa und raucht - raucht seit drei Jahren die erste Zigarette. Es ist ein Brief von der Polizei angekommen, in dem ihnen mitgeteilt wird, dass Robert Barsch in einigen Tagen aus der Haft entlassen würde. Und obwohl sie weggezogen sind und alles getan haben um anonym zu bleiben, sind sich Lila und Maja sicher, dass er sie wieder finden wird. Und wirklich: noch aus der Haft nimmt Robert Barsch telefonisch Kontakt auf und droht Maja, dass sie sie killen würden, wenn ihre Mutter nicht zu ihm zurückkäme . . .

In der Geschichte begleiten wir mehrheitlich Maja und bekommen so hautnah mit, wie es in ihr aussieht. Wir erleben ihre Angst, ihre Zerrissenheit, ob sie Lorenzo wirklich aufgeben kann, um mit ihrer Familie noch einmal ganz von vorne zu begonnen, und ihren Willen, sich nicht unterkriegen zu lassen. So wird einem auch als Aussenstehender schnell klar, was es heisst, von einem Stalker terrorisiert zu werden . Und dennoch kann sich wohl kaum jemand vorstellen, was es heisst, alles hinter sich zu lassen, alles aufzugeben und eine neue Identität anzunehmen. Keinen Kontakt mehr zu anderen Familienmitgleidern, zu Freunden und Bekannten, sich komplett aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen und spezielle Hobbys oder Talente, ja sich selber aufzugeben und in eine Rolle hineinzuschlüpfen.
Maja war mir sofort sympathisch, denn sie wirkt mit ihrem Gefühlschaos und mit ihrem Handeln sehr authentisch.
Kursiv gedruckt erleben wir mit ihr Rückblenden in die Vergangenheit. Immer wieder wird sie von einer beängstigenden Szene mit Robert Barsch eingeholt und so erfahren wir nach und nach, was sich alles so zugetragen hat, bevor er ins Gefängnis musste.

Einzelne Kapitel erleben wir auch an der Seite von Lorenzo und Robert Barsch. Das gibt der Story noch mehr Tiefgang, vor allem die Perspektiven des Täters finde ich sehr spannend und aufschlussreich. So erleben wir seine wirren, krankhaften Gedanken und bekommen nach und nach auch eine Ahnung davon, warum Robert Barsch so wurde.

Ein weiteres Thema, dem im Buch etwas mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird, sind die neuen Medien und sozialen Netzwerke. Nach dem Neuanfang erleben wir mit, wie schwer es Maja fällt auf ihr Handy und das Internet zu verzichten. Die Abhängigkeit von Facebook & Co. ist wohl grösser als es den meisten erscheint. Das mag nachdenklich stimmen, doch wir erleben auch, wozu soziale Netzwerke gut sein können . . .

Katja Brandis hat es geschafft, dass ich das Buch kaum mehr aus den Händen legen konnte. Sie schreibt prägnant und fesselnd. Mit ihrem sehr real wirkenden Jugendthriller hat sie mich zum Nachdenken angeregt, denn genau so könnte ein "Stalking-Fall" aussehen

Fazit:
"Und keiner wird dich kennen" ist ein sehr spannender und authentischer Jugendthriller, der das heikle Thema Stalking behandelt. Hautnah erleben wir mit, wie es Opfern ergeht und bekommen auch einen interessanten Einblick in die Psyche des Täters.