Rezension

Wunderbar

Lied der Weite - Kent Haruf

Lied der Weite
von Kent Haruf

Bewertet mit 5 Sternen

~~In Kent Harufs Roman „Lied der Weite“ ist die Kleinstadt Holt in Colorado Mittelpunkt und Hauptperson gleichzeitig. Die Geschichte spielt in einer ungenannten Zeit, auf Grund der Beschreibung von Technik würde ich die frühen 60iger Jahre annehmen. Es sind wenige Figuren die dieses Buch prägen, in einzelnen den einzelnen Kapiteln werden sie jeweils in den Vordergrund gestellt um dann zum Ende doch zu einem Ganzen zu werden.

Da ist die 17jährige Victoria, die ungewollt schwanger wurde und von ihrer Mutter vor die Tür gesetzt wird. Sie vertraut sich ihrer Lehrerin Maggie Jones an. Die bringt Victoria bei zwei alten Farmerbrüdern, den MacPhersons unter, die unbeeindruckt vom Lauf der Jahre ihr Land bestellen. Sie sind ein wenig eigenbrötlerisch und kauzig, aber von einer anrührenden Menschlichkeit.

Dann gibt es noch Tom Guthrie, Lehrerkollege von Maggie, der mit seinen zwei Söhnen allein lebt. Seine Frau litt schon sehr lange unter Depressionen und hat die Familie verlassen um bei ihrer Schwester zu leben. Tom hilft ab und zu auf der Farm der MacPherson, dort halten sich auch seine zwei Söhne gerne auf. In der Schule hat Tom ziemlich Probleme, denn einer seiner Schüler, der verwöhnte Sohn der Beckmans, spielt gedeckt von seinen einflussreichen Eltern und einer konfliktscheuen Schulleitung übel auf. Mit Maggie verbindet ihn wohl mehr, als nur der gemeinsame Arbeitgeber.
Sicher sind die MacPhersons die Personen, die mir am stärksten im Gedächtnis bleiben werden. Unbeirrt, gütig und wortkarg nehmen sie sich des jungen Mädchens an und verändern sich zu ihrer eigenen Überraschung zu einer Art liebevoller Ersatzonkels für Victoria, der Wohl ihnen bald sehr wichtig wird.

Es gibt keine großen Spannungsbögen in diesem Buch, die Stadt und ihre Menschen mit allen ihren zwischenmenschlichen Problemen werden wie in einer Chronik erzählt. Sehr ruhig, sehr zurückgenommen und immer sehr einfühlsam. Wenn es auf den ersten Blick auch wie eine schlichte Erzählung wirkt, steckt doch so viel Weisheit und Menschenliebe in den Zeilen, dass es mir noch lange im Gedächtnis blieb. Vielleicht hat mich das Buch deshalb so beeindruckt, weil es wie aus der Zeit gefallen scheint und doch zeitlos aktuell ist.

Kent Haruf ist leider schon verstorben, sein Werk deshalb auch überschaubar, aber nicht zu übersehen.