Rezension

Wunderbar erzähltes Trash-TV

Die Terranauten
von Tom Coraghessan Boyle

Bewertet mit 3 Sternen

„Sind wir reif für ein Leben auf dem Mars? 1991 ließen sich acht Menschen zum Test in dem Mega-Treibhaus "Biosphäre 2" einsperren….“
(http://www.spiegel.de/einestages/projekt-biosphaere-2-a-947336.html)
Der Hintergrund von T.C.Boyles „Terranauten“ ist hoch interessant, was er daraus macht, muss man mögen. 

Boyle schickt acht Wissenschaftler in das Versuchsgelände „Ecosphere 2“, die über Jahre getestet und schließlich auserwählt wurden, unter größtmöglichem Medienrummel diesen künstlich erschaffenen Garten Eden zu beziehen und sich zwei Jahre lang einschließen zu lassen. 
Drei Kandidaten erzählen, wie es ihnen ergangen ist. Dawn und Ramsey, jung, klug und fotogen stehen an vorderster Front. Und auch wenn sie eigentlich vorrangig ein Leben als Selbstversorger erforschen wollen, ist es für die Öffentlichkeit viel interessanter zu beobachten, ob Ken und Barbie wohl zusammenkommen. Touristen und Journalisten lauern an den Wänden der Glaskuppel, wenn Dawn die Schweine füttert.
Eine hat es nicht geschafft, in das Terranautenteam aufgenommen zu werden, nur weil Dawn attraktiver ist. Von Neid zerfressen beobachtet sie das Geschehen von außen.

Boyles Idee ist Fluch und Segen gleichzeitig. Eigentlich ist es spannend zu sehen, wie ein wichtiges und seriöses wissenschaftliches Experiment vermarktet werden muss, damit sich der teure Versuchsaufbau amortisiert und wie sich das auf die Teilnehmer des Versuchs auswirkt. Sie sitzen im Glashaus, müssen eine Show liefern und trotzdem den außergewöhnlichen Alltag bewältigen. Entbehrungen und Isolation bringen sie an ihre Grenzen. Für das Publikum ist aber eher interessant, wie sich die Gruppendynamik entwickelt. Was treiben die Alphatiere? Wer hat was mit wem? Gibt es Ärger im Big Brother Haus und wenn ja, warum? Was sagt Dawns Liebhaber draußen zum Verhalten seiner Freundin? 
Nach etwa 100 Seiten konzentriert sich dieses Buch immer mehr auf diesen Aspekt der Geschichte und deshalb liest es sich zunehmend wie Trash-TV, wunderbar erzähltes Trash-TV, bissig, zynisch, eloquent, aber dennoch Trash-TV. Das hatte ich nicht erwartet und leider hat es mich zunehmend gelangweilt. Schade ist auch, dass nur diese drei Teilnehmer zu Wort kommen. Ab und an ein Kapitel aus ganz anderer Sicht hätte das Geschehen vielschichtiger abgebildet. 

„Die Terranauten“ ist ein toll erzähltes Buch zu einer exotischen wahren Begebenheit, das spannend sein könnte. Leider verstrickt es sich zunehmend in eher banalem Beziehungs-Wirrwarr der Protagonisten, während man als Leser lieber beim Hauptthema geblieben wäre. Ich jedenfalls.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 23. April 2017 um 13:33

Ach schade, es hat so gute Anlagen.

Sursulapitschi kommentierte am 23. April 2017 um 14:05

Manch einem gefällt es ja. Ich bin gespannt, was du sagst.