Rezension

Wunderbar umgesetzte Familiengeschichte

Der blinde Mörder - Margaret Atwood

Der blinde Mörder
von Margaret Atwood

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ein Flohmarktfund. Beifang nach dem ich nicht auf der Suche war, aber doch gefunden habe. Und wie so oft, sind die unerwarteten Freuden die schönsten!

Eigentlich sind es zwei Romane in einem. Einmal erzählt Iris Chase ihre Lebensgeschichte und die ihrer verstorbenen Schwester Laura. Das tut sie sehr einfühlsam und mit lebendigen Bildern der gehobenen Gesellschaft der 20er und 30er Jahre. Gerade die komplizierte Gefühls- und Gedankenwelt Lauras beschreibt sie sehr anschaulich. Die andere Geschichte ist ein Roman den Laura Chase geschrieben hat. Er wurde von Iris nach Lauras Tod veröffentlicht und erzielte einiges an Beachtung. Der Roman dreht sich um die heimliche Liebe zwischen einer jungen Frau aus gutem Hause und einem gesellschaftlich geächteten und mittellosen Schriftsteller. Beide Geschichten haben mich in ihren Bann gezogen. Hier wie dort möchte man wissen wie es weitergeht. Viele Schicksalsschläge treffen die Schwestern doch gehen beide ganz anders damit um. Tod, finanzieller Ruin, Eifersucht, Intrigen und gesellschaftliche Zwänge ziehen sich durch Iris und Lauras Leben. Der teilweise selbstironische Ton an der Grenze zur Verbitterung passt zu der alten Dame, die Iris nun als Erzählerin ist und doch stimmt er leicht traurig.

Gut gefallen hat mir die Umsetzung der komplexen und umfangreichen Geschichte. Zeitungsausschnitte wechseln sich mit Lauras Roman und Iris Erzählungen ab. Durch die Zeitungsausschnitte erhält man noch aus einer anderen Perspektive Einblick in ihr Leben. Auch ist es interessant, erst die meist geschönten Artikel und später die bittere Wahrheit zu erfahren. In Iris Bericht steht viel zwischen den Zeilen und manches bleibt auch verschwommen. Doch das passt zur Stimmung und zum Ton des Romans. Man vermutet, rätselt ein wenig und wird am Ende doch überrascht. Auch die Charaktere überzeugen. Iris als kleines Mädchen, junge Frau und am Ende als alte Dame ist passend beschrieben. Interessanter ist die spirituelle Laura, die oft unverstanden bleibt, ihren eigenen Kopf hat und damit aneckt. Aber stimmig und toll umgesetzt sind durchweg alle Charaktere des Romans. Auch für unsympathische „Gegenspieler“ ist gesorgt. Ein paar Längen bleiben bei knapp 700 Seiten nicht aus. So ist die Beschreibung von Iris aktuellem Leben mit über 80 zwar – wie alles andere auch – sprachlich top. Doch sind die „Ich-bin-alt-geworden“-Episoden gegenüber dem Rest oft eher langweilig.

Trotzdem ist Der blinde Mörder insgesamt ein wunderbarer Roman, der mich mit seinen Charakteren, seiner tragischen Geschichte und seiner poetischen Sprache überzeugt hat.

Kommentare

LySch kommentierte am 05. Juli 2017 um 17:31

Minzi! :) Ich habe heute mein "persönliches" Prämien-Abgreifen schon hinter mir ;) War zufällig im örtlichen Antiquariat und da gab es dieses Buch - HC und nur 1€! Diesmal hab ich keine Minute gezögert und es eingepackt ;)

katzenminze kommentierte am 05. Juli 2017 um 18:09

Aah super!! :D Dann hat es ja endlich geklappt mit dir und dem blinden Mörder! ;) Ich bin gespannt, was du dazu sagst! <3