Rezension

Wunderbare Geschichte darüber, was uns Menschen menschlich macht

Ich und die Menschen - Matt Haig

Ich und die Menschen
von Matt Haig

Bewertet mit 5 Sternen

Sie sind unter uns, näher als wir denken, ohne dass wir etwas ahnen, ohne dass wir sie erkennen. Sie wissen von unseren technischen Errungenschaften und halten uns für selbstsüchtige, gierige Monster. Zumindest die meisten von ihnen.

 

Als der Mathematikprofessor Andrew Martin nackt auf dem Collegegelände aufgegriffen wird, glauben Polizei, Familie, Bekannte und Berufskollegen schnell an einen Nervenzusammenbruch aufgrund von Stress. Denn Andrew war auf der fieberhaften Suche nach dem Beweis für die Riemannsche Vermutung.
Doch niemand weiß, dass er diesen auch entdeckt hat, zumindest kein menschliches Wesen. Eine außerirdische Spezies hat allerdings davon erfahren. Da sie der Meinung ist, die Menschheit sei zu egoistisch und zu rücksichtslos, um mit den Erkenntnissen richtig umzugehen, beschließt sie, einen der ihren zur Erde zu schicken und alle Spuren zu verwischen, bevor die Formel der Öffentlichkeit bekannt wird.
Womit sie nicht gerechnet haben, ist, dass der Auserwählte die Menschen von einer ganz anderen Seite kennenlernt und zu allem Überfluss auch noch seltsame Gefühle entwickelt.

 

 

Ich und die Menschen ist mir in den letzten Wochen bereits häufiger begegnet, aber erst dank der Rezension von Maren habe ich mich wirklich an das Werk herangetraut. Und wurde so positiv überrascht wie schon seit Monaten nicht mehr.
Das Buch lebt größtenteils von seinem Hauptdarsteller. Durch die Augen des namenlosen Außerirdischen, der Andrew Martins Identität angenommen hat, entdeckt man unsere eigene Welt neu, eine Welt voller Geheimnisse, Missverständnisse und Widersprüchlichkeiten. Es ist ein ganz anderer Blick die Menschheit, sehr rational und gleichzeitig neugierig und unglaublich naiv, sodass man ihm nicht einmal böse sein kann, egal was er tut. Man erlebt mit, wie seine anfänglichen Vorurteile langsam zu bröckeln beginnen und sich immer mehr auflösen, je mehr er über unsere Spezies erfährt. Und das auf eine verdammte humorvolle Art und Weise, sodass selbst seine nüchternen Beleidigungen unserer Lebensweisen und vor allem unseres Aussehens den Leser immer wieder zum Lachen bringen. Ich habe mich unwillkürlich gefragt, wie man selbst uns wahrnehmen würde, käme man von einem anderen Planeten. Dass er Personen wie Andrews Familie und seinen besten Freund um sich hat, die liebevoll aus seiner Perspektive charakterisiert werden, macht die Geschichte noch lebendiger und mitreißender.

 

Der Schreibstil passt perfekt zu der Denkweise des Aliens, aus deren Sicht der gesamte Roman verfasst ist: Rational, knapp, vor allem auf Beobachtungen und Schlussfolgerungen reduziert. Ja, und es wird durchaus des Öfteren mathematisch, schließlich handelt die Story davon, eine wichtige Formel und die Zeugen für deren Existenz verschwinden zu lassen. Ich muss zugeben, dass ich nicht immer alles nachvollziehen konnte, was der Autor über die Riemannsche Vermutung erzählt. Aber für das Verständnis der Ereignisse ist es auch kaum von Bedeutung, sondern bildet eher einen gut durchdachten Rahmen drum herum.
Gerade dadurch kommt auch der trockene Witz wesentlich besser zum Tragen, als wenn man die Szenen emotionaler beschrieben hätte. Und es lässt den Besucher von einem anderen Stern zudem fremdartiger und seine Verwandlung gleichzeitig realistischer wirken. Dazwischen begegnen dem Leser oft sehr eindringliche Weisheiten, die einem zum Nachdenken über sich selbst bringen.
Natürlich ist außerdem jede Menge Spannung vorhanden, denn die Beweise müssen vernichtet werden und zwar um jeden Preis, ganz besonders wenn dafür Sterbliche getötet werden sollen. Dieser mörderische Hintergrund treibt die Handlung zusätzlich voran und lässt einen immer wieder gebannt mitfiebern.

 

 

Ich und die Menschen hat so einiges für mich bereitgehalten, mit dem ich nie gerechnet hätte: Eine kluge Story, richtig viel Witz, eine spannende Handlung und vor allem ein perfekter Reiseleiter durch die seltsame Welt auf der Erde konnten mich für sich einnehmen. Die simplen, aber gerade deswegen so eindringlichen Weisheiten und der trockene Humor haben mir besonders gut gefallen. Man sollte sich auf keinen Fall von dem mathematischen Hintergrund abschrecken lassen, denn dann entgeht einem was!
Wenn ihr gerne etwas Nachdenkliches lest, das nicht unbedingt durch komplizierte Philosophie abschreckt, Science Fiction Storys liebt, bei denen man herzhaft lachen kann oder einfach nur die Menschheit mal aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachten wollt, dann schaut euch diesen Roman doch mal an!