Rezension

Wunderbare Lesezeit

Drehtür
von Katja Lange-Müller

Bewertet mit 5 Sternen

Nach 22 Jahren Arbeit im Dienst internationaler Hilfsorganisationen ist Asta am Münchner Flughafen angekommen. In Nicaragua hatten die Kollegen für ein Ticket gesammelt. Zu ihrem Geburtstag gab es dann die große Überraschung: Ein einfacher Flug nach München, für ihr frühere Heimat Berlin habe das Geld nicht gereicht. Sie möge tun und lassen, was sie wolle, nur zurückkommen solle sie nicht. Und so trifft der Leser Asta rauchend an der Drehtür des Flughafens. Sie denkt über die deutsche Sprache nach, beobachtet Reisende, in denen sie Menschen zu erkennen glaubt, die sie in ihrem Leben getroffen hat. „Den Koch der nordkoreanischen Botschaft, der eines Abends mit geschwollener Wange in einem Berliner Hauseingang hockte, ihre Kollegin Tamara, die ein glühender Fan von Tamara »Tania« Bunke war, ihren Exfreund Kurt, mit dem sie turbulente Wochen in einer tunesischen Ferienanlage verbrachte, einen amerikanischen Schauspieler, der einen Nazi-Arzt darstellte, und einige andere mehr. Mit jeder Zigarette taucht Asta tiefer in ihre Vergangenheit ein – und mit jeder Episode variiert die Erzählerin ein höchst aktuelles und existenzielles Thema: das Helfen und seine Risiken.“

Aufmerksam geworden bin ich auf diese Buch durch sein außergewöhnliches Cover, gefunden habe ich ein großartig erzähltes Stück Lebensgeschichte. Katja Müller-Lange lässt ihre Protagonistin zu keinem Zeitpunkt wehmütig oder gar hadernd in die Vergangenheit blicken. Asta blickt optimistisch in die Zukunft, wohlwissend, dass ihr mit jenseits der sechzig nur noch begrenzt Zeit bleibt, um ihre Träume zu leben. „Doch bald, sehr bald schon, habe ich ein schönes Leben. Frühmorgens krieche ich aus meinem weichen Bett, brüh mir einen Kaffee, türkisch und ohne Milch. Die Tasse in der Hand, laufe ich barfuß zum Strand. Am Himmel kreisen die grauen Pelikane; aber jetzt, vor der aufgehenden Sonne, wirken sie scherenschnittschwarz. Und einer erspäht Beute und lässt sich fallen, schnell und schwer wie ein Stein. Für Sekunden sehe ich den silbrig glänzenden Fisch, dann nur noch, wie er zappelt im schlabbrigen Schnabelsack des Pelikans, der nun wieder abhebt, mit gemächlichen, weit schwingenden Flügelschlägen, und verschwindet, irgendwohin, wo er ungestört verdauen oder seine Jungen füttern und mein Blick ihm nicht folgen kann.“

224 Buchseiten lang habe ich mit Asta an der „Drehtür“ gestanden und es war eine wunderbare Zeit. Dafür gibt es jetzt 6/5 Punkten!