Rezension

Wunderschöne Geschichte

Esthers Garten - Tanja Wekwerth

Esthers Garten
von Tanja Wekwerth

Bewertet mit 5 Sternen

Das Buch hat mich schon vom Cover her sehr beeindruckt und zum Lesen eingeladen. SO stelle ich mir den Sommer vor - in diesem bequemen Sessel lässt es sich bestimmt herrlich lesen.
Elisabeth, eine Dauerstudentin, lebt in Berlin und ist unzufrieden mit ihrem Leben. Sie trifft den Rentner Otto, dessen Schwester sie dafür bezahlt, sich um Otto zu kümmern - Essen kochen, spazieren gehen, Gesellschaft leisten. Kein Problem, denk Elisabeth und nimmt den Job an, denn Otto wohnt über ihr im gleichen Haus.

Aus dieser Konstellation entwickelt sich eine spannende Geschichte, die auf zwei zeitlichen Ebenen spielt. Zum Einen ist da Ottos Vergangenheit als junger Gärtner bei der "gnädigen Frau Esther" mit dem wunderschönen Garten. Er schwärmt noch heute von dieser wunderbaren Frau, sie war die heimliche große Liebe seines Lebens. Zum Anderen blüht Elisabeth, die behauptet, Blumen zu hassen, immer mehr auf. Sie legt sogar einen Dachgarten an, ihren geheimen Rückzugsort, wo sie Ottos Lebensgeschichte und damit auch die Geschichte von Esthers Garten aufschreibt.
Besonders gefallen hat mir die Entwicklung der Geschichte in zwei Richtungen. In dem Maße, wie Esthers Garten und das Leben ihrer Familie in der Vergangenheit bedroht werden, wächst in der Gegenwart Elisabeths Lebensmut. Köstlich die Tanzszene mit Otto im Pyjama!
 Als Leser weiß ich, dass Esthers Geschichte kein wirkliches Happy End haben kann, denn Esther ist Jüdin und ihr Garten gedeiht Anfang der Dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Trotzdem ist es eine positive Geschichte, denn Esther und ihre Familie kann sich retten - nur der Garten hat es nicht geschafft, bis in die Gegenwart zu überleben. Auch Elisabeths kleiner Dachgarten darf nicht dauerhaft über den Dächern Berlins blühen. Aber Elisabeth hat zum Schluss der Geschichte soviel Lebensmut, dass ich sicher bin, sie wird bald einen neuen, noch schöneren Garten haben.

 
Ein großes Lob für die sanfte Schilderung des Grauens, dem die Juden sich damals ausgeliefert sahen. Es kam schleichend, darum wollten die meisten es nicht wahrhaben. Ohne dass vordergründige Klischees bedient werden, erzeugt die Autorin Gänsehaut beim Leser. Und wenn es nur der Tee ist, der plötzlich in einem anderen Laden gekauft werden soll ... 
Kleine Kritik - mit den Zeiten hatte ich mein Problem. Klar und historisch eindeutig ist die Zeit, in der Otto Gärtner bei Esther war. Aber wie alt ist Elisabeth? Ich glaube, sie ist viele Jahre älter als Esther damals und müsste damit gefühlt Mitte Dreißig sein? Und immer noch Studentin? Wenn Otto damals als junger Gärtnerbursche anfing und mehrere Jahre in Esthers Haus blieb, müsste er in der Gegenwart über Neunzig sein? Und - die beiden sind nie spazieren gegangen (nur einmal zum Essen), obwohl Elisabeth doch auch genau dafür engagiert wurde. 
Trotzdem ein wunderschönes Buch, das ich gerade einem Berliner Gartenbaustudenten weiterempfohlen habe. ;-)