Rezension

Wunderschöner, gefühlsbetonter Roman.

Electrica - Lord des Lichts - Helene Henke

Electrica - Lord des Lichts
von Helene Henke

„Du kannst vor einer Versuchung nicht davonlaufen oder deine Augen verschließen. Sie wird dich immer wieder einholen, denn es gibt nur einen Weg, ihr zu entgehen, indem du ihr nachgibst.“

Zum Roman:

Sue Beaton ist verzweifelt. Im Glauben an den Tod ihrer Tante, die vom Schulmeister des Dorfes umgebracht wurde, sucht sie die einzige Möglichkeit der Gerechtigkeit: Als sie auf Duart Castle ankommt, um ihren Lehnsherren um Hilfe zu bitten, hätte sie niemals gedacht einem solch attraktiven Mann zu begegnen. Und sofort merkt sie, dass er anders ist als alle Männer, deren Heiratsanträge sie bisher abgelehnt hatte. Und auch ihr Lehnsherr, Lord Cayden Maclean steht seinen Gefühlen offen gegenüber, von denen er niemals erwartet hätte, dass sie je wieder jemand in ihm erwecken würde…

Fazit:

„Electrica – Lord des Lichts“ ist ein Vampirroman der etwas anderen Art. Vor allem der Umstand, dass hier der Handlungsstrang nicht nur aus banalen Gelüsten seitens der Vampire nach Blut oder denen der Menschen nach Liasions besteht, zeigt, dass dieser Roman mehr aufbieten kann. 
Bestimmt vom Fortschritt durchzieht die Geschichte einen Drang des Wissens. Lord Cayden sucht Wissenschaftler auf, die für ihn forschen um seine neuesten Errungenschaften an den König zu verkaufen, der sie dankbar entgegennimmt und ihn dafür umso besser entschädigt. Doch eine Geschichte ohne Antagonisten, wäre keine Geschichte mit Spannung.

„Meinetwegen nenne mich eine Laune der Natur. Für die einen bin ich ein Vampir, für die anderen ein Incubus oder schlicht ein Geschöpf der Nacht. Ich wurde so geboren und ich bin, was ich bin.“

Dies trifft durchaus auf den Protagonisten zu, doch ein verfeindeter Vampir, sein Mentor, will Rache – und sucht ihn auch nach seinem vermeintlichen Tod um diese zu vollstrecken, womit auch Sue Gefahr läuft, in diese Sache mit hineingezogen zu werden.
Die Gestaltung der Charaktere ist durchaus individuell: Sue, willensstarker Frauencharakter, die sowohl lesen als auch Schreiben kann, in einer Zeit, in der dies nicht üblich war. Und auch ihr Verstand misst nicht dem eines normalen derzeitigen Bauern, was Cayden natürlich sofort positiv ausfällt. Dieser wiederrum erfuhr eine wunderbare Zeichnung: herrlich ironische Züge und ein Sarkasmus vom Feinsten, gepaart mit einer Kälte, die dem Leser eigentlich Schauer über den Rücken laufen lassen müsste, ihn allerdings nur umso sympathischer wirken lässt.

„ Es ist schwer zu verstehen, wenn sich einem das Unmögliche als Wahrheit offenbart.“

Sue’s Reaktion auf die Tatsache, dass Cayden ein Vampir ist, wirkt durchaus glaubwürdig. Die Autorin schafft es hier ihren Unglauben fabelhaft in Erstaunen und Erkenntnis umzuwandeln, ohne dass dieses Geschehnis plump wirkt.  Die ganze Geschichte wird untermauert von einem flüssigen Schreibstil, der der Geschichte noch einen ganz besonderen Hauch gibt.

„Wir verfügen über unseren Verstand, der uns dazu befähigt, unsere Entscheidungen zu treffen.“

Und ich bin froh, dass ich dies tat. Auch wenn mich zunächst das große Format mit der Schrift abschreckte, denn durch den geringen Zeilenabstand ist jede Seite tatsächlich voll beschrieben und die 200 Seiten lassen sich dadurch nicht mal eben schnell durchlesen, wie es bei anderen Büchern der Fall gewesen wäre.
Doch die Autorin macht dies mit einer wunderschönen Geschichte wett, die den Leser begeistert, animiert und in der Geschichte fest hält. Symphatische Charaktere und eine spannende Handlung tragen zum Lesevergnügen ebenso bei wie der schöne Sprachstil und die etwas andere Art, einen Vampirroman zu schreiben. Denn dieser sticht wohltuend aus der Menge heraus und bietet neue Aspekte und Sichtweisen, die dem Leser offenbart werden.
Ein Wort zum Cover: 

Es sieht einfach wunderschön aus. Es passt unglaublich gut zum Wort "Electrica", da man Elektrizität ja meist direkt mit der Farbe gelb in Verbindung bringt. Auch der Titel ist gut gewählt, wobei ich zunächst dachte, dass dieser etwas mit der Protagonistin zu tun haben musste, doch wie sich herausstellte, handelte es sich um ein wissenschaftliches Experiment.

„Denn bedenke, Unsterblichkeit ist endlos, doch dein Dasein als Mensch unwiederbringlich.“

Wenn ich dafür mein Leben lang so schöne Bücher lesen darf, dann immer her mit der Unsterblichkeit!
Für diesen Roman gibt es 4/5 Sternen von mir! 
Die Autorin hat definitiv einen positiven Eindruck bei mir hinterlassen. Hier zeigt sich wieder, dass auch deutsche Autoren großes Talent haben!