Rezension

Wunderschöner Regency Roman

Das Geheimnis von Digmore Park - Sophia Farago

Das Geheimnis von Digmore Park
von Sophia Farago

Bewertet mit 4 Sternen

Frederick Michael Anthony Dewary, einzige Sohn des Earl of Digmore wird eines schrecklichen Verbrechens bezichtigt. Um diesem Vorwurf nachzugehen, entfernt er sich heimlich von der Armee und kehrt nach England zurück. Bald erfährt er, dass er am Mord seiner Tante beschuldigt wird. Ein Verbrechen, das er nicht begangen hat. Sein alter Freund Simon Bishop bringt in als Stallmeister auf Portland Manor unter, während er selbst und Fredericks Bursche Charlie, den Dingen auf den Grund gehen wollen.

Frederick muss sich an die ungewöhnlichen Gepflogenheiten auf Portland Manor erst einmal gewöhnen. Hier hat doch tatsächlich eine Frau das Sagen. Elizabeth Porter verwaltet das Anwesen seit dem Tod ihres Vaters, bis ihr jüngerer Bruder Billy volljährig ist. Als wäre es nicht schon genug, dass sie sich mit einem neuen, zunächst recht unhöflichen Stallmeister herumschlagen muss, da taucht auch noch Billy, der eigentlich in der Schule sein sollte, mit einem seiner Freunde auf Portland Manor auf.

Fühlt sie sich zunächst noch zu Lord Linworth, Billys neuem Freund, hingezogen, so muss sie sich bald eingestehen, dass ihre Gedanken immer öfter zu einem gewissen Stallmeister wandern. Das dieser nicht ist, was er vorgibt zu sein, erfährt sie bald von Linworth, der die Familie damit erpressen will, dass sie ihren guten Ruf verlieren werden, wenn herauskommt, dass sie einem gesuchten Mörder Unterschlupf bieten. Statt sich von diesem einschüchtern zu lassen, machen sich Elizabeth und ihre Mutter mit Frederick auf den Weg nach Digmore Park um das Geheimnis um den Mord an seiner Tante zu lüften und Fredericks Unschuld zu beweisen ...

Vom ersten Wort an, war ich auf einer Zeitreise ins England der Regency-Ära. Sophia Farago malt mit ihrer wunderbaren Sprache ein hervorragendes Bild dieser Zeit und sie bleibt auch darin. Auch wenn Elizabeth Portland Manor verwaltet, bleibt sie dennoch dem Frauenbild ihrer Zeit treu. Sie ist sich bewusst, dass sie die Geschäfte an ihren Bruder abtreten wird, wenn dieser alt genug ist, und ihre Pläne für die Zeit danach sehen so aus, dass sie darauf hofft, mit ihrer Mutter in die Stadt ziehen zu können, und vielleicht doch noch einen Ehemann zu finden und eine Familie zu gründen.

Trotzdem spürt man immer wieder, welche Verantwortung auf Elizabeths Schultern lastet und dass es niemanden gibt, von dem sie wirklich Hilfe erwarten kann: Ihr Bruder unterschreibt eine Bürgschaft für Lord Linworth, die sie aufgrund seiner Minderjährigkeit anfechten will. Seinen Vormund, ihren Onkel, damit betrauen, hält sie für ebensowenig aussichtsreich, wie ihre Mutter damit belasten. Lady Porter ist es am liebsten, wenn alle Probleme von ihr ferngehalten werden. Elizabeth überrascht sich selbst damit, dass sie mit dem Gedanken spielt, den neuen Stallmeister um Hilfe zu bitten (auch wenn sie dann doch alleine loszieht). Auch fühlt sie sich immer stärker zu ihm hingezogen, so skandalös das auch sein mag.

Auch Frederick fühlt sich, nach Anfänglicher Fehleinschätzung ihres Charakters von seiner Seite aus, zu Elizabeth hingezogen. Das heißt, sobald er akzeptiert, dass sie tatsächlich als Frau Portland Manor verwaltet. Sobald Elizabeth also erfährt, dass er in Wirklichkeit der Sohn eines Earls und kein Stallmeister ist, und sie sich auf gleicher Augenhöhe begegnen, stünde einer Zukunft der beiden nichts im Wege ... wäre Frederick nicht bereits verlobt.

Als Elizabeth dies erfährt, hat ihre Mutter jedoch bereits erklärt, dass sie beide nach Digmore Park fahren werden, um Fredericks Unschuld zu beweisen. Und dort warten so einige Überraschungen auf alle Beteiligten.

Ein wenig las sich "Das Geheimnis von Digmore Park" wie zwei Romane, was daran lag, dass die Autorin - was mir durchaus gefiel - Wert darauf legte, dass Elizabeth Reise nach Digmore Park auch begründet ist. Die ganzen kleineren und größeren Wendungen und Ereignisse des ersten Teils führen dazu, dass sie mit Lady Porter aufbricht. Ich muss aber zugeben, dieser Teil kam mir zuweilen verhältnismäßig lang vor, auch wenn das Buch selbst sehr schnell zu lesen ist. Ich habe mich oft gefragt, ob wir denn Digmore Park überhaupt zu sehen bekommen und als Lady Porter dann erklärte, sie wolle unter dem Vorwand, Fredericks Vater als Witwer ihrer besten Freundin aus Jugendtagen ihr Beileid auszudrücken, nach Digmore Park reisen, war mein erster Gedanke "endlich".

Und wie haben mir die Szenen in Digmore Park selbst gefallen. Fredericks Verwandtschaft, die Ränkelspiele, die sich hinter den Kulissen abspielten, die Geheimnisse, die sich dem Leser fast beinahe so langsam enthüllen, wie den Figuren selbst ... Herrlich! Ab hier wurde der Roman zu einer Mischung aus Mysteryroman und Krimi, gewürzt mit einer zarten Liebesgeschichte, die sich passend zu den Werken des Regency entwickelt. 
Nicht nur Frederick und Elizabeth, zu denen ich schon weiter oben etwas geschrieben habe, auch die anderen Figuren sind wunderbar gezeichnet. Allen voran Elizabeths Mutter, Lady Porter. Auf der einen Seite ganz ignorante Adlige, die sich nicht an die Namen ihrer Diener erinnert, auf der anderen Seite, aufgeregt wie ein Schulmädchen, als sie das Abenteuer wittert, welches sie in Digmore Park erwarten wird. Aber auch Louise, die Ehefrau von Fredericks Cousin war wunderbar geschrieben. Die perfekte, freundliche Gastgeberin gegenüber Elizabeth und ihrer Mutter, das schmollende oder bettelnde "Kind" gegenüber ihrem Mann und die herrschsüchtige Herrin gegenüber der Dienerschaft. Es war zuweilen nicht leicht, zu sagen, welche Facette die "echte" ist.
Es machte großen Spaß, mitzurätseln (auch wenn ich teilweise gehörig daneben tippte), was denn nun tatsächlich geschehen war und die Auflösung hielt noch einige Überraschungen bereit (deren Hinweise ich teilweise schlicht übersehen habe). "Das Geheimnis von Digmore Park" war viel zu schnell vorbei. Auch wenn ich unbedingt wissen wollte, wie es ausgeht, hätte es, sobald die Handlung auf Digmore Park spielte, noch einmal so lang sein können. 
Die Liebesgeschichte verläuft sehr ruhig, wie der Rest der Handlung empfand ich sie gerade am Anfang weniger packend, als sie es später wurde. Bevor Fredericks wahre Identität enthüllt wird, existiert sie praktisch lediglich in Elizabeths Gedanken aber auch das hätte ich mir mit ein wenig stärker und mit größerem Konflikt erhofft. Dieser kommt erst in Form von Fredericks Verlobter, die nun über einer möglichen Zukunft der beiden schwebt, wie ein Damoklesschwert. Aber auch hier wurde es mit der Ankunft auf Digmore Park besser.
Ich kann das Buch Fans von Regency-Romanen nur empfehlen. Der Anfang ist langsamer, aber sofort fühlt man sich in die Zeit zurück versetzt. Die Vorstellung der Figuren und der Ausgangssituation hätte meiner Meinung nach ein wenig kürzer, die Szenen in Digmore Park dafür länger sein können. Dafür gibt es von mir vier Punkte.