Rezension

Wundervolle Reise nach Spitzbergen aus der Perspektive zweier starker Frauen

Insel der blauen Gletscher - Christine Kabus

Insel der blauen Gletscher
von Christine Kabus

Erneut begeistert Christine Kabus mit einem Norwegenroman besonderer Güte. Exakt ausgearbeitete Charaktere und wundervolle Landschaften kombiniert in einem erzählerischen Glanzstück - genau so wünscht man sich als Leser einen Roman, der für mehr als ein paar Stunden Abtauchen in andere Lebensgeschichten ermöglicht. Sicher besonders geeignet für Frauen, die sich mal wieder so richtig in eine Geschichte fallen lassen wollen.

Der erste Satz: Der Vorhang hob sich und gab den Blick frei auf mehrere Paare, die zu den Klängen eines Walzers unter einem riesigen Kristallkronleuchter tanzten.

Das Äußere: Das Buch hat ein wundervolles Cover im HDR-Look, der die Schönheit der norwegischen Landschaft noch hervorhebt. Zwischen schneebedeckten Bergen und eisblauen Gletschern blickt man auf ein Meer, während sich ein Husky, der im Vordergrund auf einem Felsen steht, sich gerade zum Betrachter umzudrehen scheint. 

Das Innere: Zwei Frauen entdecken auf zwei unterschiedlichen Zeitebenen das norwegische Spitzbergen. Zum einen ist da Emilie, die junge, behütet aufgewachsene Tochter einer bürgerlichen Familie, die im Jahre 1907 kurz davor steht, gegen ihren Willen verheiratet zu werden. Zum anderen begegnet man in der Gegenwart der Hausfrau und ehemaligen Reisereporterin Hanna, deren Mann mit einer jüngeren Frau auf und davon ist und seine Frau daheim sitzengelassen hat. Beide Frauen stehen vor der Reise ihres Lebens - der Leser darf sie auf ihren teils gefährlichen, teils unverhofft gefühlvollen Reisen durch eisige Gletscherlandschaften begleiten...

Das Wesentliche: Wer Christine Kabus schriftstellerischen Weg verfolgt hat, weiß, dass sie erst vor zwei Jahren ihren ersten Roman "Im Land der weiten Fjorde" veröffentlicht hat. Seither ist mit "Töchter des Nordlichts" ein weiteres Buch und nun mit "Insel der blauen Gletscher" bereits ihr dritter Roman erschienen. In meinen Augen ist Christine Kabus mit diesem dritten Roman ein perfektes Buch gelungen, das mich von der ersten bis zur letzten Seite komplett begeistert hat. Hier stimmt einfach alles!

Wie immer in ihren Büchern verzahnen sich die Lebenswege von zwei Frauen, die zu unterschiedlichen Zeiten - immer etwa 100 Jahre voneinander getrennt - leben. So begegnen wir hier zunächst im Jahr 1907 der jungen Emilie, die bekommen ihrer Zukunft entgegen sieht, weil ihre  Familie sie endlich gut verheiratet sehen möchte. Die Unausweichlichkeit ihrer Zukunft trifft einen ins Herz. Als Emilie die Möglichkeit bekommt, sich insgeheim und als Mann verkleidet einer Forschergruppe anzuschließen, die in Richtung Arktis aufbricht, freut man sich sofort mit ihr auf die unglaubliche Reise, die sie erwartet. Emilies Reise ist dann auch unglaublich - bezaubernd und zugleich gefährlich und geprägt von vielen Begegnungen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Mehr als einmal habe ich dabei um Emilies verdeckte Mission und sogar um ihr Leben gefürchtet.

Auch Hannas Geschichte ist faszinierend: sie erlebt als Frau, deren Kinder aus dem Haus sind, eine große Enttäuschung mit ihrem Ehemann und sieht sich so - ähnlich wie Emilie - gezwungen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Dies macht sie, indem Sie ihre Kenntnisse und Erfahrungen als Reisereporterin wieder hervorkramt und sich kurzerhand bereit erklärt, einen Bericht über Spitzbergen zu verfassen. Hanna reist im Vergleich zu Emilie nahezu komfortabel und definitiv weniger gefährlich, aber auch ihre Reise ermöglicht ihr wunderbare Begegnungen und unverhoffte Freuden. Auch hier ist man als Leser ganz nah dabei, wenn Hannas auf ihrer Entdeckungsreise nicht nur sich selbst neu entdeckt, sondern auch eine Begegnung machen darf, die ihre Zukunft wieder verheißungsvoll erscheinen lässt.

Man darf nicht glauben, dass die beiden Handlungsstränge auf irgendeine Art und Weise vorhersehbar verlaufen. Christine Kabus lässt den Leser in beiden Plots viel entdecken, mit den Charakteren mitfiebern und zauberhafte wie auch aufregende Begegnungen machen. Nicht zuletzt die Einbettung beider Geschichten in die wundervolle Umgebung der Landschaft Spitzbergens, die man vielleicht nicht unbedingt selbst in seinem Leben bereisen wird, lässt einen die Abenteuer der beiden Frauen auf besondere Weise genießen.

Der Wechsel zwischen den unterschiedlichen Erzählebenen erscheint dem Leser beim ersten Mal abrupt, ist er aber so gesehen gar nicht, weil die Geschichten nach kurzer Zeit wie von selbst ineinander fließen. Beide Frauen sind letztlich in einer ähnlichen Situation - beide wollen oder müssen sich freistrampeln und sich von den Zwängen ihrer jeweiligen Umgebung befreien, um ihr Glück zu finden. Damit schließt sich bei jedem einzelnen Kapitel der Kreis wie von selbst, so dass man als Leser zwar zunächst unwillig die eine Zeitebene verlassen muss, aber nur um wenige Zeilen später bereits wieder von der anderen Geschichte umfangen zu werden - es ist dabei jedes Mal fast so, als wäre man nie weg gewesen. Die flüssige Sprache, die die Gefühlswelt beider Protagonistinnen wunderbar untermalt, tut das Übrige dazu, um das Buch einfach nur genießen zu können.

Das Fazit: Erneut begeistert Christine Kabus mit einem Norwegenroman besonderer Güte. Exakt ausgearbeitete Charaktere und wundervolle Landschaften kombiniert in einem erzählerischen Glanzstück - genau so wünscht man sich als Leser einen Roman, der für mehr als ein paar Stunden Abtauchen in andere Lebensgeschichten ermöglicht. Sicher besonders geeignet für Frauen, die sich mal wieder so richtig in eine Geschichte fallen lassen wollen.

Die Bewertung: Fünf von fünf Leselöwen