Rezension

Yound Adult-Roman über Trauer und Loslassen

Die Unwahrscheinlichkeit des Glücks - Cynthia Hand

Die Unwahrscheinlichkeit des Glücks
von Cynthia Hand

Bewertet mit 4 Sternen

Zum Inhalt:

Die 18jährige Lexie ist ein überdurchschnittlich intelligentes Highschool-Mädchen, das Mathematik über alles liebt und klassische Musik hört. Ihr größter Wunsch ist die Aufnahme am berühmten Massachussets Institute of Technoloy (MIT) in Boston.

Doch seit einigen  Monaten steht ihre Welt kopf, denn ihr 16jähriger Bruder Ty erschoss sich kurz vor Weihnachten in der Garage des Elternhauses, ohne einen Abschiedsbrief zu hinterlassen. Während der von der Familie getrennt lebende Vater das Thema ausschweigt und die Mutter am Schmerz zerbricht, schottet sich die rational denkende Lexie mehr und mehr von ihren Freunden ab und beschäftigt sich nur noch mit einer Frage: "Warum hast du das getan?" Und dann ist da dieser furchtbare Schmerz und der Vorwurf, Lexie hätte Ty retten können...

Meine Meinung:

"Die Unwahrscheinlichkeit des Glücks" ist aus Sicht der Protagonistin geschrieben in einem Mix aus Erzählungen, Notizbucheinträgen und Briefen. In vielen Rückblenden erfährt man mehr über Tyler und dessen enges Verhältnis zu seiner großen Schwester. Man spürt, dass die beiden eine liebevolle Verbindung zueinander hatten, und ahnt, wie groß Lexies Schmerz sein muss. Ich empfand Tyler als sehr liebenswürdigen Menschen, dessen Schicksal mich berührte. Zusammen mit Lexie habe ich mir gewünscht, dass sein Selbstmord nur ein böser Albtraum ist, sie endlich aufwacht und Ty am Frühstückstisch sitzt und sie aufzieht wie immer. 

Lange Zeit konnte ich zu Lexie keine Beziehung aufbauen. Ich fand sie schon sympathisch, aber es fehlte irgendwie eine Verbindung zu ihr. Sie ist ein rational denkender Mensch, und es dauerte einfach, bis ich mit ihr warm wurde, auch wenn die Geschichte aus ihrer Sicht geschrieben ist und man in ihr Innerstes schauen darf. Manchmal wollte ich sie einfach nur schütteln, z. B. als sie so eisern Tys Brief an seine Ex-Freundin unter Verschluss hielt oder ihrem Therapeuten nicht davon erzählte, dass sie manchmal ihren Bruder sieht und Angst hat, sie werde verrückt. Erst so nach und nach brach das Eis zwischen Lexie und mir. Als Leser verfolgt man den Prozess, wie sie Tys Tod aufarbeitet, lernt, mit dem Schmerz umzugehen und ihr Leben weiterzuleben. Sie wird wieder empfänglich für ihre Freunde und ihre Liebe zu Steven.

In dieser Geschichte gibt es eigentlich keine unsympathischen Figuren. Am Anfang hatte ich gewisse Ressentiments dem Vater gegenüber, der die Familie verlassen hat und die Trauer über Tys Tod einfach nicht zeigen kann. Aber im Endeffekt ist er auch ein armes Würstchen. Lexies Mutter tat mir unendlich leid, auch wenn ich manchmal zusammen mit Lexie an ihr fast verzweifelte, denn sie hat ja noch ein zweites Kind, um das sie sich kümmern sollte, und doch ist es anderherum. So sehr sich Lexie bemüht, bekommt sie doch von der Mutter nur zu hören, dass es zu spät und auch ihr Leben nun zu Ende sei. Lexies Freunde, allen voran ihr Ex-Freund Steven, sind alle verständnisvoll und liebenswert und auch dann für sie da, wenn Lexie das gar nicht will. 

So schwermütig die Geschichte ist, so hat es doch ungefähr 270 Seiten gedauert, bis ich endlich auch gefühlstechnisch absolut in das Buch hineingezogen wurde, und am Ende flossen dann doch Tränen - zeitgleich mit Lexie, wenn ich das so sagen darf, ist bei mir der Damm gebrochen. Falls das die Intention der Autorin war, dass man als Leser quasi Lexies Prozess mitmacht, dann ist es ihr bei mir gelungen! Ansonsten hat sie es einfach nur vorher lange Zeit nicht geschafft, mich emotional zu packen. Man kann das jetzt sehen, wie man will. ;-)

"Die Unwahrscheinlichkeit des Glücks" ist ein Young Adult-Roman über Trauer und Loslassen, und auch ein bisschen über die erste große Liebe. Durch ein paar Längen und einem schwierigen Zugang zur Protagonistin hat es ein bisschen gedauert, bis ich mit der Geschichte warm wurde, aber dann hat sie mich doch noch packen können.

Anmerkung am Rande: Ich hatte ein unkorrigiertes Leseexemplar und hoffe sehr, dass das Lektorat die massig vorhandenen Fehler noch ausgebessert hat, denn sie kamen wirklich auf jeder Seite vor und haben mich erheblich beim Lesefluss gestört.