Rezension

Zäher Anfang, aber interessant

Vier Beutel Asche - Boris Koch

Vier Beutel Asche
von Boris Koch

Bewertet mit 3 Sternen

Handlung:

Seit Jan seinen besten Freund Christoph bei einem Unfall verloren hat, ist er voller Wut. Auf den Fahrer des Unfallautos, auf Christophs Eltern, auf die Welt im Allgemeinen und auf sich selbst. An Christophs Geburtstag beschließt er, die Party zu dessen Ehren früh zu verlassen und stattdessen dem Grab seines besten Freundes einen Besuch abzustatten. Dort trifft er tatsächlich, mitten in der Nacht, noch 3 weitere Menschen aus Christophs Leben: seine Freundin Selina, seinen Kumpel Maik und die geheimnisvolle Lena, von der niemand weiß, in welcher Beziehung sie eigentlich zu Christoph stand. Gemeinsam beschließen die 4 Jugendlichen, sich mit 2 Motorrollern auf den Weg nach Frankreich zu machen, an die Küste. Denn Christoph wollte seine Asche über dem Meer ausgestreut und nicht auf dem düsteren Dorffriedhof begraben wissen.

Eigene Meinung:

Das Cover des Romans passt hier extrem gut zum Inhalt. Es zeigt die verschwommene Silhouette eines jungen Mannes, der sich in voller Bewegung zu befinden scheint. Hier könnte es sich um Christoph auf seinem Fahrrad handeln oder auch um Jan auf einer der beiden Motorroller. Diese Bewegung und auch die Farben suggerieren auf der einen Seite eine gewisse Lebendigkeit, auf der anderen Seite strahlt das Cover auch etwas Unruhiges aus. Die Geschichte wird aus Jans Perspektive in der Ich-Form erzählt, so dass man als Leser ganz dicht an dem Protagonisten klebt. Man weiß selbst also immer nur so viel, wie Jan in der Geschichte bereits erfahren hat. Mit ihm als Protagonisten hatte ich zunächst auch meine Schwierigkeiten. Jan ist am Anfang so voller Wut und Aggression, dass niemand wirklich einen Zugang zu ihm findet. Am liebsten würde er sich an dem Verursacher des Unfalls rächen, denn der trägt – das findet zumindest Jan – die alleinige Schuld an dem Unfall. Doch letztendlich kann er hierzu nie den Mut finden und reagiert seinen Zorn daher in kindischen kleinen Drohbriefchen ab. Generell ist er ein sehr unnahbarer, unsympathischer Charakter, mit dem man sich als Leser nur schwer identifizieren kann.

Auch die Reise der 4 Jugendlichen nach Frankreich erweist sich als schwierig. Anstatt Christophs letzten Wunsch in Frieden zu erfüllen, gibt es ständig Streit. Vor allem Christophs Freundin Selina lässt ihren Unmut an den anderen aus und zeigt sich vor allem von Lenas Anwesenheit verunsichert und provoziert. Hatte Christoph etwa eine Affäre? Doch auch Jan ist enttäuscht, weil sein bester Freund ihm nie erzählt hat, dass er näher mit Lena zu tun hatte. Allein der übermütige Maik ist immer zu Mutproben und Dummheiten aufgelegt und raubt den anderen 3 den letzten Nerv. Zu allem Überfluss werden die 4 in Frankreich schließlich noch ausgeraubt und die Küste scheint in unendliche Ferne gerückt.

Das Buch lässt mich zwiegespalten zurück. Auf der einen Seite ist das Thema ein sehr trauriges und man hätte aus der Grundidee der Handlung wirklich einiges machen können. Doch anstatt einer sensibel erzählten Geschichte zum Thema Trauer erwarten den Leser zunächst nur Jans Hasstiraden und kindische Streitereien darüber, wer nun Christophs Asche transportieren und wer überhaupt das Recht hat, an dieser irrsinnigen Fahrt nach Frankreich teilzunehmen. Auch die Reise selbst hätte ich mir ein wenig ausführlicher beschrieben gewünscht bzw. wäre es angenehmer gewesen, anstatt von den 4 Streithähnen mehr von der Landschaft zu lesen, durch die sie fahren. Denn eigentlich bin ein großer Fan von Roadtrips, aber hier hat mir einfach das nötige Flair gefehlt.

An Tiefe gewinnt der Roman erst, als die 4 sich am Lagerfeuer nach und nach erzählen, wie sie Christoph kennengelernt haben. Es wird viel geweint, aber auch gelacht und endlich, so scheint es, ist der Schmerz für jeden von ihnen etwas einfacher zu tragen. Danach hat man als Leser nicht nur einen besseren Bezug zu den 4 Jugendlichen, sondern auch der verstorbene Christoph nimmt Profil an. Erst jetzt konnte ich richtig nachvollziehen, was ihn als Freund ausgemacht hat und warum die anderen so um ihn trauern. Und auch Jan kann etwas von seiner Wut ablegen und sich wieder dem Leben zuwenden. Auf einmal tritt hinter der harten Schale ein sensibler, freundlicher Kern zu Tage, der mich mit dem unsympathischen Hauptcharakter aussöhnt. Das Ende ist hoffnungsvoll und verdeutlicht die Botschaft des Buches: Egal wie groß die Trauer auch ist, es lohnt sich immer weiterzuleben!

Fazit: nach anfänglichen Schwierigkeiten ein durchaus berührendes Buch über die Hilflosigkeit der Hinterbliebenen und darüber, wie man mit so einem schrecklichen Verlust weiterleben kann

Kommentare

DieJai kommentierte am 30. September 2013 um 17:51

Hallo,

ich habe das Buch kürzlich auch gelesen und mir hat das Buch sehr gut gefallen. Deine Rezension finde ich sehr gelungen. Hätte ich das Buch noch nicht gelesen, würde ich es jetzt sicher lesen wollen :)

LG

Jai