Rezension

Zafón, Meister atmosphärischer Darstellung

Das Labyrinth der Lichter - Carlos Ruiz Zafón

Das Labyrinth der Lichter
von Carlos Ruiz Zafón

Bewertet mit 5 Sternen

Im Herzen Barcelonas wirft Zafón wieder ein Netz aus, das den Leser gefangen nimmt, ohne dass der sich jemals wieder befreien möchte.

Mit „Das Labyrinth der Lichter“ stellt der spanische Autor Carlos Ruíz Zafón den vierten Band um den Friedhof der vergessenen Bücher vor. 

Sicherlich lässt der sich, wie behauptet wird, unabhängig von den anderen lesen, versagt bleibt in diesem Fall allerdings die Freude der Wiederbegegnung mit bekannten Figuren, ebenso fällt die Orientierung sicher etwas schwerer.  

 

Als im Dezember 1959 der Minister Mauricio Valls spurlos verschwindet, erhält die junge, charismatische Alicia Gris den polizeilichen Auftrag zu ermitteln. Mit ungewöhnlichen Methoden, messerscharfem Verstand und der Hilfe des ihr zur Seite gestellten Polizeihauptmanns Vargas begibt sie sich auf Spurensuche und gräbt verdeckte Zusammenhänge aus. Schnell wird ersichtlich, dass die Schatten von Spaniens Kriegsjahren längst nicht überwunden sind. 

 

Zafón lässt den Leser zu Beginn des Buches in Episoden fallen, die, jede für sich, spannend, schön und verstörend sind. Wir begegnen besonderen Menschen in besonderen Situationen zu unterschiedlichen Zeiten und suchen vergeblich nach Zusammenhängen. Die schälen sich im Folgenden erst nach und nach aus dem Geschehen heraus, sei es durch Erzählungen, Erinnerungen, Briefe oder Dokumente. Gefordert ist, sich darauf einzulassen. Das ist nicht immer einfach, denn die Anzahl der Personen, die durchbrochene Chronologie und der hohe Anspruch mitunter auf das Komplizierteste verschachtelter Sätze lassen es nicht zu, zügig und leicht durch die Seiten zu gleiten. 

Dennoch ist es ein Genuss, den Entwicklungen zu folgen. Nicht nur wegen des Schreibstils, der solchermaßen exquisit ist, dass sich manchmal der Verdacht einschleicht, er könnte zur Hauptmotivation, wenn nicht zum Selbstzweck geraten. Minutiös und scheinbar abschweifend entwickelt der Autor eine Geschichte, die präziser, stimmiger und mächtiger nicht geschrieben werden kann. Wie nach und nach Informationen auftauchen und das Bild zunächst immer rätselhafter und verschwommener werden lassen, bevor die ersten Konturen sichtbar werden und sich schließlich das Gesamtbild enthüllt, zeugt von unübertrefflicher Könnerschaft. 

Zwei große Liebschaften scheinen Zafons Motor zur Entstehung seiner Werke zu sein: Die eine ist die Literatur. Die andere Barcelona. Ersterem zollt er neben dem eigenen Schreiben Tribut, indem er auch hier ein Buch zum Hauptgegenstand erhebt. Dem Zweiten, indem er dem Leser seine Stadt ähnlich akribisch, stimmungsvoll, poetisch und gleichzeitig düster vor Augen führt wie die Personen, die er ihr anvertraut. 

Deren Leben und Wirken ordnen sich ihren Eigenschaften und den geltenden Bedingungen unter. Viele kommunizieren in Dialogen, die so geistreich wie witzig sind. Nicht die kleinste Unstimmigkeit vergrämt, jedes Verhalten hat seine Ursache, jedes Geheimnis seine Bestimmung. So wird man tief in den Kosmos hinein gesogen und findet sich als Leser mit Freunden oder auch Feinden wieder inmitten so vertraut wie fantastisch erscheinender Orte.

Unbedingte Leseempfehlung an Freunde der Literatur!