Rezension

Zahm und zahnlos

The Hate U Give - Angie Thomas

The Hate U Give
von Angie Thomas

Bewertet mit 3.5 Sternen

Ich konnte die Katastrophe des Romans einfach nicht fühlen, daher gings ziemlich spurlos an mir vorüber. Keinen Moment lang war ich traurig oder verzweifelt, an was hat es gelegen? An den Übertreibungen eventuell oder daran, dass die Autorin wirklich kein Klischee ausließ!

In den USA wird gegen schwarze, junge Männer seitens der Straßenpolizei häufig unverhältnismässig hart und rassistisch motiviert vorgegangen. Diese Vorkommen prangert die Autorin mit ihrem Roman an. Oder nutzt sie aus für ihr Buch. Wie man es sehen möchte, ich bin mir nicht ganz schlüssig.

Sweet Starr Carter muss miterleben wie ihr Jugendfreund Khalil von Officer Cruise erschossen wird. Obwohl er nichts getan hat. Ermordet. Er war zwar ein Drogendealer, aber hauptsächlich war er schwarz. Wie Starr auch. Es kommt zu einer Anhörung vor der Grand Jury. Wird der weiße Officer zur Verantwortung gezogen werden oder wird die Sache unter den Tisch gekehrt werden?

Die Autorin spielt mit sämtlichen Klischees, die man in Bezug auf die schwarze Bevölkerung im Kopf hat. Die großen Gegensätze in den Städten - hier die armen Viertel der mehrheitlich schwarzen Bevölkerung, dort die reichen und abgeschotteten Wohnviertel der reichen Weißen. Die einen wissen nichts von den Problemen der anderen. Gemischtrassige Beziehungen sind problematisch und nicht gern gesehen. Gangs und Drogen, prekäre häusliche Lebensverhältnisse, schlechte Schulleistungen, Null Chancengleichheit. Doch Starr und ihre Eltern wollen dem Ganzen entkommen. Deshalb geht sie zusammen mit ihrem Bruder auf eine „weiße höhere Schule“, so dass sie in zwei Welten lebt. In beiden Welten ist sie angepasst und nicht richtig sich selbst. Als wäre das nicht genug, hat sie sich einen weißen Boyfriend angelacht. Das wird ihrem Vater nicht gefallen!

Die Autorin fährt mir zu viel auf.

„The Hate U Give“ ist ein Jugendbuch und Autoren müssen natürlich schwierige gesellschaftliche Themen an ihre junge Leserschaft bringen. So weit, so gut! Der Text ist nett, mit leichter Hand geschrieben, die Familienverhältnisse der Protagonisten mit kreativen, sowohl lustigen wie traurigen Elementen versetzt, die Dialoge sind meistens spritzig und dennoch ist der Funke nicht übergesprungen. Zu plakativ werden die Verhältnisse dargestellt und viel zu oberflächlich wird das eigentlich düstere, komplexe Thema abgehandelt.

Die vermeintliche Sozialkritik ist so dick aufgetragen, dass sie einfach nicht mehr glaubwürdig ist, man kann sie mit Löffeln vom Buchcover kratzen, doch die angebotenen Lösungen sind nett und ähneln Luftschlössern, die mit der Wirklichkeit rein gar nichts zu tun haben. „Echt jetzt?“ möchte ich im Jargon bleibend, immer wieder sagen. Ich fürchte, man darf nicht so positiv eingestellt sein, sowohl was die Gegenwart wie auch was die Zukunft angeht, sonst betrügt man die Kinder, beziehungsweise lullt sie ein.

Obwohl die Autorin zum Schluss nicht alles in Wohlgefallen auflöst, ist mir dennoch zu viel rosa Brille im Spiel, zu viel Hoffnung und Perspektive gegeben, in einer Welt, in der der Rassismus eher zunimmt und es überhaupt keinen Grund für Optimismus gibt. Das sollten die Jugendlichen aushalten können.

Fazit: Ein Roman über Rassismus, immerhin, mit einer schwarzen Protagonistin, die auch Erzählerin ist, immerhin,  junge Liebe und Sozialkritik, ist The Hate U give ein Buch, das junge Leser begeistern wird und dessen Thematik nicht verkehrt ist. Aber zu rosarot und schonend, trotz seiner leichten Hand deshalb zahm und zahnlos.

Kategorie: Jugendbuch
Verlag: Walker Books, 2017