Rezension

Zeit für die Welt

Hinter dem Horizont rechts - Christopher Many

Hinter dem Horizont rechts
von Christopher Many

Bewertet mit 5 Sternen

Delius Klasing hat ein Herz für Außenseiter und ich habe ein Herz für Delius Klasing. Große Klasse, der Verlag!

Es kommt drauf an, was man will. Komfort, Wohlfühlzone und Zivilisation oder Reisen um die Welt. Im besten Fall hat man natürlich beides, aber normalerweise muss man, will man im Leben ständig sein eigener Herr sein und gleichzeitig reisen, etwas dafür opfern. Christopher Many hat schon früh für sich entschieden, dass er nicht viel braucht an materiellen Besitztümern, obwohl es nicht ganz ohne geht, und hat auf eine „normale Karriere“ verzichtet. Bootsbauer hat er gelernt, meine ich, gelesen zu haben. Im Abspann erläutert der Autor, dass man, wenn man durchaus will, Mittel und Weg findet, zu reisen. Aber man muss etwas dafür tun. Wenn du deinen Traum leben willst, dann gib hundert Prozent dafür. Das ist seine Botschaft.

Wenn sich einer Zeit für die Welt genommen hat, dann Christopher Many. Denn seit zwei Jahrzehnten reist der Autor durch und um die Welt, die letzten vier Jahre, die „Hinter dem Horizont rechts“ behandelte, rechts herum, wie der Name sinnig verrät, Richtung Griechenland, Kasachstan, Laos, China bis man irgendwann am Ziel ankommt: Australien. Begleitet wird Many dabei von seiner Lebensgefährtin Laura und auf Achse ist man mit Puck und Pixie, den beiden Motorrädern.

Many erzählt eloquent und amüsant von Erlebnissen mit Land und Leuten. Er war schon 1999 mit seinem Landrover Matilde auf einer ähnlichen Route und es ist erschreckend, wie sich in der relativ kurzen Zeit (bis 2014) vieles verändert hat. Malerische Dörfer „hinter dem Berg“, in denen die Zeit anders verstrichen ist, sind Hochburgen des Tourismus geworden, einheimische Gewohnheiten und endemische Nahrungsmittel sind verschwunden.

Usbekistan ist grün in der Nacht (angeleuchtet), Georgien ist das schönste Land der Welt (Bergwelt ist umwerfend), war es bei den Uiguren, wo man mit geköpfen Ziegen eine Art Fussball spielt?, Tibeter sind mehr als aufdringlich und durchsuchen ungefragt deine Taschen und folgen dir sogar aufs Klo, wo es keine Klotüren gibt. In Kambodscha ist die Kinderprostitution normal und deshalb um so abscheulicher, in Laos sucht man die leckeren Hamburger aus Rattenfleisch, die Many früher so gemundet haben, inzwischen vergeblich, und in China gibt es Tausende von Elektroroller, weil die Diktatur diese einfach so verordnen kann und nicht durch Lobbyisten behindert wird. Dort gibt es auch eine Realityshow, in der einige der 10 000 jährlich zu Tode Verurteilten kurz vor der Vollstreckung in Live-Übertragung interviewt werden.

Besonders gefallen die lose eingestreuten Kapitel über Kultur und Vorurteile. Denn Many hat Meinung und die darf er auch mitteilen! So kommt der Autor zum Beispiel zum Schluss, dass die Menschen in China insgesamt recht zufrieden mit ihrem Land, ihrem Leben und ihrer Regierung sind. Die USA dagegen, die mit viel Kriegszeug durch die Welt tingelt und Minenfelder hinter sich herzieht, denen die Menschen noch jahrzehntelang zum Opfer fallen, obwohl der Krieg eigentlich vorbei ist, werden angeprangert und manch andere Ungerechtigkeiten und Verbrechen, die die Weltmächte begehen, werden ebenso klar beim Namen genannt. So erfährt der Leser einige Facetten über die Welt, die sich bei Many ganz anders ausnehmen als die auf Mainstream ausgerichteten Fernsehberichte glauben lassen.

Christopher Many ist ein unabhängiger Geist und das kommt im Buch zum Ausdruck. Davon braucht die Welt jede Menge mehr! Passsende, interessante und schöne Bilder vervollständigen den Reiseroman, an dem man einfach nichts auszusetzen findet. Die 10 Gesetze Murphys für Overlander am Ende des Buches beenden die Lektüre mit breitem Grinsen.

„Hinter dem Horizont rechts“ ist ein wunderbarer Reisebericht für die, die eher mit dem Finger auf der Landkarte reisen einerseits und ein Appetizer für diejenigen, die mit dem Gedanken spielen, sich selber auf den Weg zu machen. Dabei hat mir besonders der Satz gefallen: „Wie oft wird man Sie ausrauben“?.

Fazit: Ich habe Christopher Manys Reisebericht trotz der über 500 Seiten sehr gerne gelesen. Er ist lustig, eloquent erzählt, informativ und macht einfach Spaß!

Kategorie: Reisebericht, Verlag: Delius Klasing