Rezension

Zeit für neue Erinnerungen

Wir fliegen, wenn wir fallen - Ava Reed

Wir fliegen, wenn wir fallen
von Ava Reed

Bewertet mit 5 Sternen

Yara und Noel. Zwei Fremde, die doch so viel gemein haben. Beispielsweise Phil, Noels Großvater und Yaras Anker im Leben. Nachdem Phil stirbt, bricht für beide eine Welt zusammen. Yara reagiert sehr emotional, fühlt sich an eine große Schuld erinnert, die auf ihren Schultern lastet. Noel sieht sich bestätigt: Wenn man sich an etwas oder jemanden bindet, wird man früher oder später verlassen. Er ist wütend. Und auch er fühlt sich schuldig. Als Phils Testament verkündet wird, folgen in erster Linie Erstaunen, Verwirrung und Ratlosigkeit. Der alte Mann hat eine Liste seiner Wünsche und Träume zusammengestellt. Sein letzter Wille schickt Yara und Noel gemeinsam auf Reisen, ihm die zehn wichtigsten Abenteuer zu erfüllen. Ausgestattet mit gut gefüllten Sparbüchern, geht es an Planung und Umsetzung des Vorhabens. Nur wenig lässt sich schnell vor Ort erledigen. Von dem Gedanken, ein paar Wochen zusammen verbringen zu müssen, sind beide nicht sehr erbaut. Noel zeigt sich distanziert, gar abwehrend. Leute auf Abstand halten, kann er gut. In Yara bringt sein arrogantes Getue nur das Schlimmste hervor. Sie reagiert schlagfertig sowie hin und wieder sogar verletzend. Nichtsdestotrotz ziehen sie das gemeinsam durch – für Phil! Und am Ende für sich selbst. Yara und Noel teilen Schmerz, sie teilen Freude und sie finden einen Weg, mit ihren Erinnerungen umzugehen. Aus Fremden werden Freunde, Vertraute und vielleicht sogar mehr …

AVA REED erzählt mit WIR FLIEGEN, WENN WIR FALLEN eine besondere Geschichte zwischen Höhen und Tiefen des Lebens, die zu Herzen geht und zum Nachdenken anregt. Neununddreißig Kapitel in erster Person Singular, abwechselnd aus Yaras oder Noels Perspektive beschrieben, verfliegen dank des angenehmen Schreibstils im Nu. Gleich zu Beginn des Buches übermannt uns ein Vulkanausbruch der Gefühle. Schmerz und Trauer, Wut und Verzweiflung. Die Lektüre erzeugt einen Kloß im Hals. Während Yara und Noel Pläne schmieden, kommt es zum ersten Schlagabtausch. Sarkasmus und schwarzer Humor – herrlich unterhaltsam! Als Leser ahnt man natürlich, dass sich die beiden im weiteren Verlauf der Handlung annähern werden. AVA REED zeigt hierbei feines Fingerspitzengefühl und angemessenes Tempo. Die Entwicklung ist zu keiner Zeit konstruiert oder gar plump, alles wirkt sehr authentisch. So unterschiedlich die Charaktere äußerlich scheinen, so ähnlich sind sie sich doch im Kern. Beide haben Ecken und Kanten, was sie umso interessanter macht. Hier und da hätte man ihnen mehr Zeit geben wollen, ihre Reiseziele gebührend zu erkunden, und manch dramatischer Einwurf hat doch Fragezeichen aufgeworfen. Alles in allem findet die Autorin aber einen sehr schönen Abschluss des Geschehens und lässt der Leserschaft darüber hinaus Raum für Fantasie.

WIR FLIEGEN, WENN WIR FALLEN erscheint in gebundener Form im Ueberreuter Verlag. Der Schutzumschlag fällt zuerst durch die kräftige Farbe ins Auge und lockt auf den zweiten Blick mit vielen kleinen Details im Scherenschnittmotiv. Ein unmittelbarer Bezug zum Romaninhalt ist erfreulicherweise gegeben. Der Einband selbst kehrt die Farben um - ebenfalls sehr chic. Innen wird jeder Kapitelbeginn von kleinen Illustrationen begleitet, herzallerliebst. Buchrückseite und Klappentext machen neugierig und verraten nicht zu viel. Alles in allem ein Traum für jeden Leser!

Fazit: WIR FLIEGEN, WENN WIR FALLEN ist ein Roman, der unter die Haut geht! AVA REED erzählt sehr gefühlvoll und authentisch wie zwei Wildfremde über einen gemeinsamen Verlust zu Vertrauten werden und schließlich zu sich selbst finden. Klare Leseempfehlung!