Rezension

Zeitreisen mit einer widerwilligen Protagonistin

Liebe geht durch alle Zeiten. Edelsteintrilogie 01. Rubinrot - Kerstin Gier

Liebe geht durch alle Zeiten. Edelsteintrilogie 01. Rubinrot
von Kerstin Gier

Klappentext:
Manchmal ist es ein echtes Kreuz, in einer Familie zu leben, die jede Menge Geheimnisse hat. Der Überzeugung ist zumindest die 16-jährige Gwendolyn. Bis sie sich eines Tages aus heiterem Himmel im London um die letzte Jahrhundertwende wiederfindet. Und ihr klar wird, dass ausgerechnet sie das allergrößte Geheimnis ihrer Familie ist. Was ihr dagegen nicht klar ist: Dass man sich zwischen den Zeiten möglichst nicht verlieben sollte. Denn das macht die Sache erst recht kompliziert!

Einordnung:
- Rubinrot (Teil 1)
- Saphirblau (Teil 2)
- Smaragdgrün (Teil 3)

Rezension:
Mit Gwendolyn hat die Autorin eine sehr sympathische Protagonistin geschaffen, die sehr authentisch handelt, denkt und fühlt. Das wird schon zu Beginn relativ schnell deutlich, denn für sie kommt es vollkommen unerwartet, dass sich plötzlich Schwindelgefühle hat und mit einem großen Satz in der Vergangenheit landet. Auch wenn ihr natürlich bekannt ist, dass in ihrer Familie das Zeitreise-Gen vererbt wird, so haben sich doch alle jahrelang darauf vorbereitet, dass es ihre Cousine Charlotte sein würde, der die Ehre zuteilwird. Charlotte bekam seit frühester Kindheit Musik-, Reit- und Fechtunterricht, wurde über Politik und Benehmen in den letzten 500 Jahren informiert und in die Geheimnisse des Chronografen eingeführt. Das alles muss Gwendolyn nun über Nacht lernen und ist verständlicherweise verwirrt, überfordert und auch ein wenig verängstigt. Dass sie trotz allem ihren eigenen Kopf behält, ist ihr hoch anzurechnen. Statt vor Ehrfurcht zu verstummen und vor der Geheimloge der Wächter zu katzbuckeln, erzählt sie alles ihrer besten Freundin Leslie und geht locker und ungezwungen ihren eigenen Weg.

Parallel zum Leser lernt sie außerdem alles über die Vergangenheit. Es beginnt mit der Mode, denn für jeden Zeitsprung müssen die Genträger wie in der jeweiligen Zielzeit gekleidet werden, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Die Beschreibungen der Kostüme bieten einen guten Einblick in die damalige Mode. Vor allem viele Details werden erläutert, denn Dank der modernen Stoffe und Herstellungsmethoden sehen die Kostüme zwar aus wie aus der damaligen Zeit, sind aber an einigen Stellen um einiges leichter und bequemer. Doch nicht nur das, auch der Umgang mit einem Fächer, das richtige Knicksen, der Unterschied zwischen Durchlaucht und Erlaucht und eine Liste mit modernen Wörtern, die sie auf keinen Fall benutzen darf, wird ihr eingetrichtert. Hinzu kommt dann noch alles Wissen über Kriege, wichtige Politiker und historische Ereignisse. All diese Fakten bekommt auch der Leser vermittelt, wenn auch häufig in gekürzter Form.
Problematisch daran sind lediglich die vielen Jahreszahlen. Mit dem Chronografen ist es den Zeitreisenden möglich, die exakte Uhrzeit und das exakte Datum einzustellen, an dem sie in der Vergangenheit landen möchten. Jedes Mal, wenn Gwendolyn das tut, wird das in der Geschichte auch erwähnt. Allerdings springt sie nicht immer ins selbe Jahr, sodass es schwierig ist, parallel zu den Geschichtsstunden, dem Studium von historischen Dokumenten, dem Pro- und dem Epilog des Buches den Überblick zu behalten. Sollte bei einigen Jahreszahlen ein Wiedererkennungseffekt entstehen, dann sind es eindeutig zu viele.

Hinzu kommen nämlich auch noch die kurzen Einwürfe zwischen den Kapiteln. Dort bekommt der Leser immer einen Einblick in Zitate aus den Annalen der Wächter, aus Chroniken, Geheimschriften und Stammbäumen. Diese Einblicke sind meist nur eine Seite lang, aber dabei mit mindestens einer Jahreszahl versehen, die noch zusätzlich verwirrt. Doch gerade diese kurzen Zitate bauen auch Spannung auf, denn so mysteriös sie am Anfang auch sind, gegen Ende offenbaren sie dem Leser immer mehr Informationen, die die Charaktere noch nicht haben.
Alle Rätsel werden dabei natürlich nicht gelöst, sodass auch die übrige Geschichte wirklich fesselnd ist. Die geheime Geheimloge der Wächter hat eine ganze Menge Geheimnisse, von denen teilweise keiner so richtig zu wissen scheint, worin sie eigentlich bestehen. Schade nur, dass davon zum Ende des ersten Teils auch überhaupt nichts aufgelöst wird, sodass es nur der Spannungsaufbau für die beiden folgenden Bücher ist.

Fazit:
Zeitreisen sind für mich mal eine neue Art Fantasy. Das nutzt die Autorin, um neben den Geschehnissen der Gegenwart auch ein bisschen über wichtige Details aus der Vergangenheit zu berichten, ohne es allerdings zu übertreiben. Gwendolyn, die Protagonistin und Ich-Erzählerin der Geschichte, ist trotz ihrer Naivität und jugendlichen Unbedarftheit sehr sympathisch und vor allem authentisch. Insgesamt ist das Buch ein spannender Auftakt, auch wenn die unglaublich vielen Jahreszahlen eher verwirren als helfen und von den unzähligen Rätseln am Ende dieses Buches nicht ein einziges gelöst wurde. „Rubinrot“ bekommt vier Schreibfedern von mir.