Rezension

Zu konstruiert und unrealistisch dargestellt

Was fehlt, wenn ich verschwunden bin
von Lilly Lindner

April, die große Schwester von Phoebe, muss in die Klinik, da sie an Magersucht erkrankt ist und alleine nicht mehr daraus kommt. Phoebe ist es nicht erlaubt sie zu besuchen und um ihren Kummer und die Sorgen irgendwie zu verarbeiten, schreibt sie ihrer geliebten Schwester April Briefe, in denen sie ihre tiefsten Gedanken und Gefühle preisgibt.

Die Geschichte wird in Form von Briefen erzählt, die Phoebe April schreibt. Erst im zweiten Teil des Buches bekommt der Leser Aprils Briefe zu lesen. Phoebe ist neun Jahre alt und dementsprechend ist der Schreibstil auch kindlich gehalten. Und da kommt auch schon mein größter Kritikpunkt an dem Buch. Das Mädchen ist neun, schreibt kindisch, ist kindisch und gibt dann so unfassbar erwachsende Weisheiten von sich, dass es im Endeffekt nur noch unglaubwürdig ist. Es sind wirklich tiefgründige Worte, die Phoebe von sich gibt, aber ich wage zu bezweifeln, dass ein so junges Mädchen - ein Kind - schon so viel Ahnung vom Leben hat. So kommt es leider nur so rüber als hätte Lilly Lindner Weisheiten gegoogelt und alles was sie finden konnte in den Mund dieses Mädchens gelegt. Da reihen sich einfach zu viele Floskeln an einander, dass ich es nicht ernst nehmen kann. Unter anderen Umständen, hätte mir das super gut gefallen, denn die Worte, die sie verwendet sind wirklich schön. Es passt nur leider nicht zu einem Kind. Nichtsdestotrotz ist der Schreibstil wirklich poetisch und schön. 
Ich möchte gar nicht behaupten, dass es da draußen in der Welt nicht ein einziges Kind gibt, das schon so erwachsen denkt. Das gibt es bestimmt, aber hier kommt es unrealistisch rüber.
Es geht zwar um Magersucht in dem Buch, allerdings werden auch viele andere Thematiken angesprochen und die Magersucht ist eher eine Folge daraus. Die Themen sollte man auch ansprechen und nicht todschweigen, aber es war mir alles viel zu dramatisiert und konstruiert. Mit Sicherheit gibt es Familien in denen so etwas geschieht, und das ist schlimm genug, aber hier wirkt es einfach unrealistisch und übertrieben. Es wird so schlimm dargestellt, obwohl es in meinen Augen nicht so schlimm ist. Das liegt vor allem daran, dass es eine sehr einseitige Erzählung ist. Wir lesen zwar sowohl die Sicht von Phoebe auf die Dinge, als auch die von April, aber es sind beides Kinder. Auf die Eltern wird ein schlechtes Licht geworfen. Ich möchte das nicht befürworten, wie sie manchmal gehandelt haben oder die Eltern in Schutz nehmen, sie haben ihre Fehler gemacht, aber in der Darstellung der Kinder wurde sehr übertrieben. Die Autorin konnte die Problematik hinter dem Thema einfach nicht gut vermitteln, sodass man es ernst nehmen kann.
Die beiden sind nervend, besserwisserisch und anstrengend. Stellt euch die schlimmste Quasselstrippe in eurem Umfeld vor und legt dann nochmal eine Schippe drauf, dann wisst ihr wie vor allem Phoebe ist und genau so lesen sich auch ihre Briefe. Und wie sie ständig versucht schlauer als ihre Eltern zu sein, als hätte sie mit ihren neun Jahren das Leben verstanden. Ich konnte keinerlei Sympathie mit Phoebe aufbauen.
Lilly Lindner hat versucht aus der Protagonisten ein wortgewandtes, schlaues Mädchen zu basteln. In meinen Augen ist das allerdings völlig in die Hose gegangen.