Rezension

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zu leicht, zu naiv, zu klischeebeladen, zu belanglos

Ich bring mich um die Ecke - Erlend Loe

Ich bring mich um die Ecke
von Erlend Loe

Bewertet mit 2 Sternen

Vorteile: leicht geschrieben, schnell durch Nachteile: naiv, nervig

Ich glaube auf dieses Buch aufmerksam wurde ich durch eine Zeitschrift, die es lobte. Und da ich nicht nur skurillen Humor mag, sondern auch die Idee des Romans, habe ich es mir günstig über Tauschticket besorgt.

ERLEND LOE
Erlend Loe wurde am 24. Mai 1969 in Trondheim (Norwegen) geboren. Er wählt für seine Romane häufig Protagonisten, die schon von Alltäglichem überfordert sind. So wirken die im Roman zu lösenden Probleme für den Leser häufig simpel, gar lächerlich. In Deutschland dürfte er wahrscheinlich am ehesten durch den Film "Kletter-Ida" bekannt sein, für den er das Drehbuch schrieb. Loe schreibt sowohl Kinderbücher als auch Romane für Erwachsene. Siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Erlend_Loe

Seine Werke (Auszug):
- Tatt av kvinnen (1993, Roman) (dt. Gekrallt)
- Fisken (1994, Kinderbuch) (dt. Kurt, der Fisch und die weite Welt)
- Naiv. Super. (1996, Roman) (dt. Die Tage müssen anders werden, die Nächte auch)
- Kletter-Ida (2002, Drehbuch)
- Doppler (2004, Roman)
- Organisten (2006)
- Muleum (2007) (dt. Ich bring mich um die Ecke)

DAS BUCH
Maße: ca. 19 x 12,5 x 1,3 cm
Seitenränder: links ca 1,5cm, rechts 2cm, oben 1,5cm, unten 2cm
Schriftgröße: keine 3 mm
Seitenanzahl: 189
Neupreis : 7,95 Euro (z.B. bei amazon)
Originaltitel: Muleum
Aus dem Norwegischen von Hinrich Schmidt-Henkel
Erscheinungsdatum: 22. September 2008
Verlag: Kiepenheuer & Witsch

www.kiwi-verlag.de

Klappentext: "Wie bringt man sich am besten um, wenn es schick aussehen und beeindrucken soll? Julie, 18 Jahre alt, versucht ihr Bestes, doch will es ihr einfach nicht gelingen, den ersehnten Tod herbeizuführen. In ihrem Tagebuch hält sie fest, welche kreativen Selbstmordideen sie in die Tat umzusetzen versucht. Oder sollte sie, statt zu sterben, lieber zur Flasche greifen?
Erlend Loe hat wieder einen Roman geschrieben, in dem die kauzigen Figuren zur großen Freude des Lesers auf die absurdesten Ideen kommen und in dem es trotzdem immer um die essentiellen Fragen des Lebens geht."

Das Taschenbuch besticht durch seine Farbe - es ist nämlich quietschorange. Dazu ist der Kopf eines Huhns abgebildet und Autorenname sowie Titel nehmen fast das ganze Cover ein. Auf der Rückseite steht der kurze Klappentext (s.o.), zudem die Internetadresse vom KiWi-Verlag, Preis und ISBN-Code.

"Wir stürzen ab.
Ich liebe Dich.
Tu, was du willst.
Papa" (S. 7)

So beginnt die Geschichte. Die Eltern und der Bruder von Julie sterben bei einem Flugzeugabsturz. Über ein halbes Jahr später beginnt sie das Tagebuch, das dieser Roman wird. Aufschreiben, was einem bewegt, war die Idee ihres Psychiaters und eigentlich will sie ja nicht schreiben, aber dann tut sie es doch und kann auch kaum mehr aufhören. Sie beschreibt ihre Gefühle und ihr Tun - ihren Willen zu sterben. Sie sieht keinen Ausweg. Ihre Familie ist tot und sonst kann ihr keiner helfen. Oder besser gesagt: sie will sich von keinem anderen helfen lassen, schwelgt in Erinnerungen und fasst den Vorsatz zum Selbstmord. Eigentlich alles nachvollziehbar. Man stelle sich nur mal vor, dass dies einem selbst passieren würde. Was Julie aber uns voraus hat: Sie hat Geld. Unmengen. So kann sie das tun, was auch immer sie will. Und so reist sie von einem Ort zum anderen, von einem Land zum anderen. Naiver als ihre 18 Jahre strollt sie durch Kontinente, fasst mal den Mut sich in Rumänien Vogelgrippe einfzufangen oder überlegt Mohammed  zu karikieren. Doch die Selbstmord-Gedanken sind meist nur kurze Flashs. Wenn sie es doch versucht, wird dies ebenso nur kurz und unbedeutend beschrieben. Schnell wird klar - eigentlich geht es gar nicht um ihre Selbstmord-Gedanken, sondern darum sich selbst zu finden. Fast schon fahrlässig oberflächlich wird der Freitod behandelt und die Geschichte geht Wege, die man sich denken kann.

***SPOILER***
So ist es natürlich so, dass sie schwanger wird und das ein ganz neues Lebensgefühl in ihr auslöst. Da roll ich doch mal ganz spontan mit den Augen! Auch, dass ihr Psychiater mit ihrer besten Freundin durchbrennt, trieft nur vor Klischees. Und natürlich verliebt sie sich. Und natürlich bekommt sie einen Hund. Und natürlich bekommt sie alles, was sie sich sonst noch wünscht. *seufz*
***SPOILER ENDE***

Auch wenn man weiß, wie der Roman endet, so hat man doch einen faden Nachgeschmack. Enttäuscht legt man das Buch zur Seite und ärgert sich, dass man aus den guten Ideen nichts gemacht hat. Ironisch? Komisch? Skurril? Ist mir nicht aufgefallen. Wäre der Roman andere Wege gegangen, hätte er sicherlich so sein können, aber nur reine Ideen machen ihn leider nicht dazu. Wenn ich daran denke, was man mit den ganzen Selbstmordversuchen für einen witzigen Roman hätte machen können.... Hach, es hätte so schön sein können. So ist Loe nur bemüht, will aber was ganz anderes - schlechtes Marketing also!
Leser, die Selbstmordkandidaten sein sollten, werden sich durch dieses Buch nicht besser fühlen - zu weit weg ist der Charakter der Julie zu einer "normalen" Person. Auch ich kenne depressive Stimmungen. Einiges taucht in dem Buch auch sicherlich auf, wird aber nur angerissen und der Rest hat mit Depression nichts mehr zu tun.

DIE SPRACHE
Dafür, dass Loe Literaturwissenschaft studiert hat, empfinde ich die Sprache als zu einfach, wie von einem Laien gar. Das kann aber natürlich auch durch die Übersetzung täuschen.
Erwähnungen norwegischer Orte werden die meisten Deutschen als befremdlich empfinden. Zudem werden viele englische Worte oder Sätze eingeschoben, die nicht weiter erklärt werden. Leser ohne Englisch-Kenntnisse könnten da durchaus auf Probleme stoßen.

Fazit: Ich hatte mich auf ein skurilles Buch gefreut, dass sich mit Selbstmord-Gedanken beschäftigt, stattdessen ist es eine naive Charakterstudie geworden. Es gibt ein paar nette Ideen, der Roman ist aber jedoch zu leicht geschrieben, zu seicht und verliert den Überblick, was es eigentlich werden soll. Keine Kaufempfehlung und immerhin noch zwei Punkte von mir.