Rezension

ZU perfekt

Alles Licht, das wir nicht sehen - Anthony Doerr

Alles Licht, das wir nicht sehen
von Anthony Doerr

Bewertet mit 4 Sternen

Literaturpreis-Sammler Anthony Doerr weiß offensichtlich, wie man ein Buch schreibt. Er weiß, welche Themen die Menschen berühren, er besitzt umfangreiche wissenschaftliche Kenntnisse, die er immer wieder überzeugend einfließen lässt (oder hat wirklich gut recherchiert) und versteht es, seinen Roman so zu strukturieren, dass der Leser von unterschiedlichen Storylines, die meisterhaft verwoben werden, wie in einem Sog durch das Buch gezogen wird.

 Ein blindes Mädchen, dessen Vater einen wertvollen und vermeintlich verfluchten Diamanten vor den Nazis versteckt und ein Waisenjunge mit einem besonderen Talent für Funktechnik, der seinem vorbestimmten Schicksal unter Tage auf Zollverein entkommen kann, indem er Soldat wird. In den letzten Tagen des 2. Weltkrieges treffen diese beiden inzwischen erwachsenen ‚Kinder’ aufeinander und während sie unter Beweis stellt, dass sie trotz ihres Handicaps in den Jahren des Krieges unerschrocken und selbständig geworden ist, muss er sich schließlich eingestehen, wofür er und seine Liebe zur Wissenschaft und zur Mathematik benutzt wurden.

 Doerrs Beschreibungen sind schön, poetisch, romantisch und bildhaft. Wie er gekonnt wissenschaftliche Themen und Aspekte der Unendlichkeit mit dem menschlichen Wesen verbindet, ist schlicht magisch. Ich kann J. R. Moehringer nur zustimmen, wenn er sagt: „Doerr sieht die Welt mit den Augen eines Wissenschaftlers, aber er fühlt sie mit dem Herzen eines Poeten.“  Allerdings, in meinen Augen hat es Doerr ein bisschen übertrieben. Obwohl er zum Beispiel ein vollständiges Bild aller einen Krieg begleitenden Übel und Schrecken liefert, schafft es sein ‚schöner’ Stil nicht, die Gräueltaten wirklich grausam wirken zu lassen. Irgendwie schwebt er etwas verklärt über den Dingen. Alles wirkt gefiltert, verharmlost. Deshalb frage ich mich, ob sich Doerr mit der Wahl seines Schauplatzes (bzw. seiner ‚Schauzeit’, dem 2. Weltkrieg) wirklich einen Gefallen getan hat. Sicherlich spricht so etwas eine breite Leserschaft an und bringt einem bestimmt auch ein, zwei Bonuspunkte auf dem Weg zum nächsten Buchpreis ein, ist aber in meinen Augen nicht geeignet, um die leise und bescheidene Geschichte zu erzählen, die ‚Alles Licht, das wir nicht sehen’ eigentlich ist.