Rezension

Zu unentschieden

Fräulein Hedy träumt vom Fliegen - Andreas Izquierdo

Fräulein Hedy träumt vom Fliegen
von Andreas Izquierdo

Bewertet mit 2.5 Sternen

'Fräulein Hedy träumt vom Fliegen' fängt super an. Eine spitzzüngige, junggebliebene, intelligente Frau älteren Semesters steht zu ihren Stimmungen und Meinungen und lässt sich von niemanden beirren. 

Als die angesehene Vorsitzende einer Stiftung, Hedy von Pyritz, im - naja - piefigen Münsterland per Inserat in der Tageszeitung einen Chauffeur für einen Ausflug zum Nacktbadestrand sucht, ist der Skandal perfekt. Den perfekten Kandidaten findet sie letztlich selbst - den zurückhaltenden Physiotherapeuten Jan, der eine Lese-Rechtschreib-Schwäche hat, aber dafür wahnsinnig gut Papierflieger falten kann. Während Jan unter Hedys Anleitung Lesen und Schreiben lernt, erzählt diese ihm von ihrer Vergangenheit - und das Buch im Buch beginnt.

Vollkommen unvorbereitet findet sich der Leser in dramatischen und emotionalen Schilderungen aus der Zeit des zweiten Weltkrieges wieder. Der Ton dieser Schilderungen ist ein komplett anderer und ich habe sofort die Gegenwarts-Schilderungen vermisst. Da die Erzählungen von Hedy aber mehr und mehr Platz im Buch einnehmen, 'gewöhnte' ich mich mit der Zeit daran und ja, fand diesen Erzählstrang ebenfalls spannend. 

Leider wurde darüber das Potential der Hauptstory verschenkt. Der Austausch von Hedy und Jan hätte so dynamisch und beiderseitig bereichernd werden können, aber das geht leider total unter. 

Andreas Izquierdo kann wunderbar schreiben und hat tolle Ideen. Er kann lustig und ernsthaft und hintergründig und bewegend. Aber bitte nicht alles auf einmal. 'Fräulein Hedy träumt vom Fliegen' hätte gut und gerne zwei Bücher werden dürfen. Eines über die Geschichte von Hedy und eines über Hedy und Jan und ihr wechselseitiges Wachsen an- und miteinander. So können beide Erzählstränge ihr Potential nicht voll entfalten und noch dazu hat man, insbesondere in der Gegenwart, den Eindruck, dass viel zu viele Probleme angesprochen werden, die (aufgrund dessen, dass es sich jeweils nicht um ein eigenständiges Buch handelt) nur angerissen werden und daher wie auf einer Liste abgehakt wirken. 

Wenn man darauf gefasst ist, dass das Buch seinen leichten Ton sehr schnell verliert und es bald mehr um die Vergangenheit als die Gegenwart geht, ein durchaus spannender Read, wenn auch mit sehr viel Luft nach oben, die der Autor meiner Meinung nach hätte ausschöpfen können, wenn er gewollt hätte.