Rezension

Zuerst interessant und spannend, zunehmend verworren, unbefriedigendes Ende

alias Grace - Margaret Atwood

alias Grace
von Margaret Atwood

Bewertet mit 3.5 Sternen

Es fing so interessant an, die Geschichte der 16-jährigen Grace Marks, die auf wahren Begebenheiten beruht. Sie wurde wegen Doppelmordes zu 'lebenslang' verurteilt, wobei nicht ganz klar ist, ob sie Mittäterin, Mitwisserin oder Anstifterin war. Das versucht der Nervenarzt Simon Jordan in langen Gesprächen mit ihr herauszufinden, vor allem, ob sie wahnsinnig ist.

Im Laufe dieser Gespräche erfährt der Leser alles über ihre Kindheit und Jugend, ihre Anstellung als Hausmädchen und vor allem, wie rechtlos Frauen niederen Standes damals waren, wie sehr sie der Willkür ihrer Dienstherren ausgeliefert waren. Detailliert schildert Grace ihre Arbeit, die sie zunehmend selbständig und sehr fleißig ausführt und das ist nicht einmal langweilig, denn es gibt Aufschluss über das Leben am Ende des 19. Jahrhunderts.

Gespannt warten Dr. Jordan und der Leser auf den Teil der Erzählung, der Näheres über den Mord aufklären wird und über die Rolle, die Grace dabei gespielt hat. Sie selbst beruft sich auf eine teilweise Amnesie.

Das alles wird in Mosaiksteinchen unterschiedlicher Textsorten (Zitate, Briefe, Zeitungsausschnitte, Berichte, etc.) und aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, teilweise sehr detailliert und ausführlich und dennoch nicht langweilig.

Je näher wir dieser Stelle kommen, um so mehr kippt für mich die Handlung, die Personen werden unglaubwürdig in ihren Verhaltensweisen, es wird teilweise gerafft erzählt und am Ende bleiben für mich zu viele Fragen ungeklärt, zu viele Handlungsstränge offen.

Obwohl gesellschaftliche Missstände angesprochen werden und sprachlich auf hohem Niveau erzählt wird, hat mich dieser Roman enttäuscht. Ich kann nicht daraus mitnehmen und es hat mich nicht bereichert, ihn zu lesen.