Rezension

Zug fahren mal anders

Girl on the Train - Du kennst sie nicht, aber sie kennt dich.
von Paula Hawkins

Bewertet mit 4 Sternen

Wir alle schauen aus dem Fenster im Zug, sollten wir damit fahren. Einige lesen lieber und andere beobachten lieber die Umgebung als Zeitvertreib. Die Protagonistin Rachel im Roman "Girl on the train" hat es sich zur Aufgabe gemacht, täglich mit dem Zug zu fahren und aus dem ewig gleich vorbeiziehendem Schema eine Geschichte zu spinnen. Was daraus wird und was ihr noch geschieht, berichtet die Autorin gekonnt.

Rachel fährt jeden Morgen und Abend mit dem Zug die gleiche Strecke - und jedes Mal hält der Zug an der gleichen Stelle auf der Strecke an. Dort erblickt sie die Gärten der Häuser und auch deren Bewohner. Oft sieht sie ein junges, verliebtes Paar, welches sie in Gedanken Jess und Jason nennt. Die beiden scheinen für sie ein perfektes Leben zu führen, so eines, wie sie es sich wünscht. Doch dann beobachtet sie etwas wirklich Schockierendes. Kurz darauf erfährt sie aus den Zeitungen, dass eine junge Frau verschwunden ist und erkennt in dieser Jess wieder. Rachel macht eigentlich das Richtige und wendet sich an die Polizei, um ihre Beobachtungen mitzuteilen, verstrickt sich jedoch immer mehr in Ungereimtheiten...

Das Buch, das ein Bestseller aus den USA ist, wird in den Medien ja hoch angepriesen. Bei solchen Büchern gehe ich immer mit einer gewissen Vorsicht heran, da es derartig gehypt wird und auch oftmals nichts dahintersteckt außer dem Hype.

Man findet sich sogleich mit Rachel im Zug und bekommt so mit, wie sie ihre Beobachtungen führt. Es ist in etwa wie im Tagebuchschreibstil gehalten. Nach etwas längerer Zeit bekommt man auch von Megan bzw. "Jess" und Anna, die Frau des Exmannes von Rachel in dem Schreibstil etwas mit.

Rachel ist eine geknickte Person, irgendwie bemitleidenswert aber auch etwas zu naiv. Man möchte ihr ständig in den Hintern treten, dass sie einmal ihr offensichtliches Alkoholproblem in Angriff nimmt. Würde man ihr auf der Straße begegnen laut dem Charakter, welcher sie im Buch beschrieben ist, würde man wohl einen Bogen um sie machen. Aber da man nun einmal der Leser ist, erfährt man mehr über sie und ihr Innenleben, wie es wirklich aussieht - und ehrlich gesagt, ist sie doch eine starke Frau, da sie nicht ganz daran zerbrochen ist, was alles um sie herum geschieht und das mit voller Wucht. Andererseits versteht man vieles nicht, wie sie es handhabt. Sie hat ihre Arbeit schon länger verloren, pendelt aber immernoch mit dem Zug dorthin, um ihrer Mitbewohnerin vorzugaukeln, sie würde genau das tun. Und wieso kann man nicht mit seiner Mutter reden, ihr das mitzuteilen, ganz geschweige denn vom Alkoholproblem, wenn man es bereits selbst erkannt hat? Durch den ganzen Monolog, den sie immer wieder in den Kapiteln führt, merkt man dann doch, wie krank ihre Psyche sein muss. Die Trennung ihres Exmannes hat sie derartig in ein Loch gerissen, aus welchem sie scheinbar gar nicht mehr herauskommt. Noch immer ruft sie ihn an und stellt sich Dinge vor, welche sie gemeinsam erleben hätten können.

Bei allen Dingen, die um Rachel gingen - bei ihr war ich mir persönlich nie sicher, in welche Schublade ich sie stecken sollte. Ist sie sogar verantwortlich für das Verschwinden der Frau, vielleicht durch die Obsession, dass sie genau ein solches Bilderbuchleben der Frau haben möchte? Genau diese Frage und auch andere Vorkomnisse halten die Geschichte spannend, jedoch nocht ganz überzeugend. Wie es dann tatsächlich ausging, ob es stimmt oder nicht, war dann im Endeffekt doch eine herbe Überraschung!

Der Schreibstil sowie die Handlungen und das nicht abflauende Spannungsgefühl im Hintergrund lassen einen das Buch in einem Rutsch durchlesen - auch wenn ich mich anfangs bis ca. Seite 70 gefragt habe, was das Geschreibsel eigentlich darstellt und mehr Fragezeichen beim Lesen hatte, war ich dann doch überzeugt einen guten Thriller vor mir zu haben. Dass dieser aber so gehyped wird, kann ich nicht ganz verstehen, aber da gehen die Geschmäcker ja dann doch eindeutig auseinander.

Nichts desto trotz ist das Buch allemal eine Abwechslung zu den üblichen Thriller wert - wer also gerne etwas Abgehobenes liest und auch mal in etwas andere Arten von Thrill mit dramatischen Hintergründen abtauchen möchte, ist hier sicherlich nicht falsch beim Zugreifen!