Rezension

Zum Teil spannender Krimi, zum Teil langweiliges Theologielehrbuch

Der Name der Rose
von Umberto Eco

Bewertet mit 3.5 Sternen

Inhalt

Der junge Benediktiner-Novize Adson von Melk reist mit dem Franziskaner William von Baskerville in eine Abtei, in der William einen Auftrag vom Kaiser zu erfüllen hat. Dort angekommen, wird William zusätzlich vom Abt beauftragt, einen Mord an einem der Mönche aufzuklären.
Und während William noch damit beschäftigt ist, die Geheimnisse der Abtei zu entdecken, sterben weitere Menschen.

Meinung

Ich wurde vorgewarnt, "Der Name der Rose" sei schrecklich langweilig und langatmig. Entsprechend skeptisch begann ich dann auch mit der Lektüre und muss zum Teil leider gestehen, dass sich die Warnung bewahrheitet hat, kann zum Teil aber glücklicherweise auch sagen, dass sich die Lektüre trotzdem gelohnt hat.

Es gibt zwei Dinge, auf die man zukünftige Leser*innen dieses Buches vorbereiten sollte:
Erstens wird man mit einer beachtlichen Menge an historischem Kontext gefüttert, da Ecos Wissen um die Kirche im Mittelalter dem eines Geschichtsprofessors alle Ehre macht.

Zweitens sollte man sich - was in Anbetracht der Tatsache, dass das Buch von Mönchen handelt und in einer Abtei spielt, vielleicht nicht überraschend ist - auf ausgedehnte religiöse Diskussionen und detaillierte Beschreibungen diverser kirchlicher Persönlichkeiten, Praktiken und Glaubensgrundsätze und ausführliche Hassreden auf "Ketzergruppen" gefasst machen.

Diese Massen an Informationen und komplexen Zusammenhängen bekommt man leider auch nicht behutsam und verständlich Stück für Stück nähergebracht, sondern hauptsächlich in sehr langen Absätzen und Dialogen, die kaum etwas anderes enthalten und die Handlung wenig voranbringen.
Zusammen mit Umberto Ecos Hang zu Monologen und Aufzählungen, die zum Teil ungelogen eine halbe Seite lang sind (teilweise in einem einzigen Satz), und seitenlangen Beschreibungen von Gefühlen, Träumen und Gebäuden (Einmal wird beispielsweise eine Kirche über sieben Seiten hinweg beschrieben) sorgte all das schnell dafür, dass ich die Urteile vieler, die das Buch als langweilig empfanden, nachvollziehen konnte. Zumal ich mich weder für das Mittelalter noch die katholische Kirche zu dieser Zeit sonderlich erwärmen kann und mich nicht gut mit diesen Themen auskenne, sodass es mir zum Teil schwer fiel zu folgen.

Zusätzlich wird das Lesen erschwert durch eine Vielzahl an Fachbegriffen und eine Menge lateinischer Begriffe, Sätze und Zitate, die zwar alle im Anhang erklärt werden, die ich aber irgendwann einfach übersprang, da es mir zu viel Aufwand war, ständig nach hinten zu blättern, nur um weitere kirchenspezifische Ansichten zu verstehen.
Oft war für mich nicht erkennbar, wieso Eco an diesen Stellen Latein verwendete (teilweise wurden normale, gesprochen Sätze zur Hälfte in Latein geschrieben - bei reinen Zitaten hätte ich es ja noch verstanden) und wieso er es nicht wenigstens mit Fußnoten übersetzen konnte, da es sich oft nur um wenige Wörter handelt und dies viel weniger Aufwand beim Lesen gewesen wäre.

Ebenfalls nicht erschlossen hat sich mir das Vorwort, in dem Eco die (vermutlich fiktive) Geschichte erzählt, wie er die angeblichen Original-Notizen von Adson von Melk (des Erzählers) gefunden und übersetzt hat. Der Prolog handelt von vielen Schwierigkeiten, die ihm auf der Suche nach Informationem über Adson und seine Erlebnisse begegneten, tut aber zur eigentlichen Geschichte absolut nichts zur Sache und wirkt vor allem deshalb so sinnlos, da die gesamte Geschichte und die meisten beteiligten Personen ohnehin fiktiv sind. Im Vorwort so zu tun, als handele es sich um ein Sachbuch, erschien mir daher unnötig.

Doch obwohl ich stellenweise sehr mit den Längen des Romans zu kämpfen hatte, konnte er mich in anderer Hinsicht doch faszinieren.
Zum einen gibt Eco durch sein fundiertes Fachwissen einen spannenden, teils schockierenden Einblick in das Leben im Mittelalter, insbesondere in Kirchenkreisen. Man erfährt einiges über die grausame Inquisition, die Diskrimierung und Vorurteile, die Frauen (insbesondere in der Kirche) erfuhren, und den Kampf von Wissenschaft und Vernunft gegen die strikten Regeln der Kirche und den unerschütterlichen Glauben, dass Gottes Wege unergründlich seien.

Zum anderen entwickelt sich neben der politischen Handlung auch eine Art Krimi, denn obwohl William wegen eines politischen Auftrags die Abtei aufsucht, wird er dort sofort beauftragt, einen Mord zu untersuchen, der dem Ruf der Abtei in besagten politischen Angelegenheiten schaden könnten. Bald bleibt es nicht nur bei einem Mord und William und Adson decken nach und nach verschiedene, Zusammenhänge auf, die die Leben und Geheimnisse diverser Mönche zu betreffen scheinen. Bis zum letzten Kapitel wird man gekonnt im Dunkeln gelassen und kann lediglich miträtseln und ein paar eigene Schlüsse ziehen, auch wenn ich auf die Auflösung am Ende selbst nie gekommen wäre.
Am Ende ergeben all die Morde und Geheimnisse ein dichtes aber sinnvolles Netz. Der letztendliche Auslöser, der am Ende aufgedeckt wird, kam mir dann aber doch ein wenig zu unbedeutend vor, als dass dafür so viel Aufwand betrieben und gemordet werden müsste.

Die Figur des William von Baskerville, Adsons Mentor und zweite Hauptfigur des Romans, war es jedoch, was das Buch trotz der Längen teilweise zu einem wahren Vergnügen für mich machte.
Der Name Baskerville könnte gut eine Anspielung auf Arthur Conan Doyles Sherlock-Holmes-Geschichten sein, denn William besitzt eine ähnliche Kombinationsgabe und einen gewissen Charme des verschrobenen Genies.
Der ehemalige Inquisitor ist seiner Zeit in seinen Ansichten zum Teil weit voraus und wirkt in seinem Gebrauch von Vernunft und seinem Glauben an die Wissenschaft höchst modern - ein spannendes Beispiel dafür, wie sich Glaube und Wissenschaft verbinden lassen.
Zudem ist William frech, schlagfertig und gut darin, die Logik anderer zu verdrehen, was unter anderem für sehr witzige Dialoge mit den sonst oft so humorlosen Kirchenmännern sorgt.

Fazit

"Der Name der Rose" ist definitiv ein Buch, auf das man sich einlassen muss, denn es enthält eine Menge, teils in lange Absätze und Monologe verpackte, Informationen über die Politik und Kirche des Mittelalters und sein Tempo leidet unter der Vorliebe des Autors für ewig lange Aufzählungen und lateinische Zitate.
Man lernt jedoch auch viele interessante, teils schockierende Dinge über die Zeit, in der der Roman spielt, und kann miträtseln bei einer verworrenen und spannenden Krimihandlung. Zudem ist William von Baskerville, eine der Hauptfiguren, überaus sympathisch, humorvoll und angenehm vernünftig und von seinen Ansichten her modern im Vergleich zu vielen seiner Kollegen.
Ich vergebe 3,5 Sterne.