Rezension

Zum vierten und letzten Mal: Der Friedhof der Vergessenen Bücher

Das Labyrinth der Lichter - Carlos Ruiz Zafón

Das Labyrinth der Lichter
von Carlos Ruiz Zafón

Bewertet mit 4 Sternen

Packend, rasant und voller Magie - der neue Zafón! Carlos Ruiz Zafón, Autor des Weltbestsellers ›Der Schatten des Windes‹, ist zurück! Mit seinen Romanen rund um den Friedhof der Vergessenen Bücher schuf der spanische Bestsellerautor eine der faszinierendsten Erzählwelten aller Zeiten. Die Verheißung, die mit ›Der Schatten des Windes‹ begann, findet mit seinem neuen großen Roman ›Das Labyrinth der Lichter‹ ihre Vollendung. Spanien in den bleiernen Tagen des Franco-Regimes: Ein Auftrag der Politischen Polizei führt die eigenwillige Alicia Gris von Madrid zurück in ihre Heimatstadt Barcelona. Unter größter Geheimhaltung soll sie das plötzliche Verschwinden des Ministers Mauricio Valls aufklären, dessen dunkle Vergangenheit als Direktor des Gefängnisses von Montjuïc ihn nun einzuholen scheint. In seinem Besitz befand sich ein geheimnisvolles Buch aus der Serie ›Das Labyrinth der Lichter‹, das Alicia auf schmerzliche Weise an ihr eigenes Schicksal erinnert. Es führt sie in die Buchhandlung Sempere & Söhne, tief in Barcelonas Herz. Der Zauber dieses Ortes schlägt sie in seinen Bann, und wie durch einen Nebel steigen Bilder ihrer Kindheit in ihr auf. Doch die Antworten, die Alicia dort findet, bringen nicht nur ihr Leben in allerhöchste Gefahr, sondern auch das der Menschen, die sie am meisten liebt. Meisterlich verknüpft Carlos Ruiz Zafón die Erzählfäden seiner Weltbestseller ›Der Schatten des Windes‹, ›Das Spiel des Engels‹ und ›Der Gefangene des Himmels‹ zu einem spannenden Finale. (S.Fischer-Verlagsseite)

Da schreibt einer drei komplexe Romane mit ineinander verschachtelten Handlungen, einer Vielzahl an Personen und auf verschiedenen Zeitebenen ablaufend, an deren Enden jeweils ein paar lose Fäden hängen – und dann schreibt er einen vierten Roman, komplex, verschachtelt, mit neuen und den altbekannten Figuren, nimmt die Fäden auf und verwebt sie endgültig.

"Eine Geschichte hat weder Anfang noch Ende, nur Eingangstüren." (S.874) Damit erklärt Zafón, warum seiner Meinung nach die Romane der Tetralogie unabhängig voneinander und von der Reihenfolge gelesen werden können.
Im Interview, das man auf der Verlagsseite nachlesen kann, erklärt er: "Ich hatte nie vor, Fortsetzungen zu schreiben. Jeder Band versteht sich als ein unabhängiger Eingang zum Friedhof der Vergessenen Bücher. Wo immer man beginnt, durch welche der vier Türen man auch tritt, wird man eine eigene Welt vorfinden. Ich wollte zwar viele Genres zusammenführen, aber in jedem Band steht eines besonders im Vordergrund: Im Schatten des Windes ist es der Coming-of-age-Roman, im Spiel des Engels der Schauerroman, im Gefangenen des Himmels der Abenteuerroman und im Labyrinth der Lichter der Spannungsroman."

Hier ist also der Spannungsroman. Tatsächlich, das Buch ist so fesselnd wie ein Krimi mit den genretypischen Motiven: Die Überlegungen und Schlussfolgerungen der Ermittler, die Suche nach dem entführten Opfer und die Jagd nach dem Täter. Der Weg zur Lösung des Rätsels ist mit brutaler Gewalt und Leichen gepflastert, und der Leser darf sich nie sicher sein, dass die Figur, die er lieb gewonnen hat, überlebt. Grenzen zwischen Gut und Böse verwischen, und die wenigsten Personen sind so, wie sie scheinen. Man darf mit einer Menge Wendungen und Überraschungen rechnen. Alles ist anders als man es sich gedacht hat, auch dem, was man aus den Vorgängerbänden kennt, ist nicht länger zu trauen.
Mit Alicia hat der Autor eine Figur eingeführt und zur Hauptperson gemacht, die man noch nicht kannte - denkt man. Aber sie war schon einmal da, wenn auch nur durch eine einzige Handlung, die man jetzt erst zuordnen kann und die direkt zu "Der Gefangene des Himmels" führt. Solche winzigen Verweise sind es, die mich zweifeln lassen, ob es sinnvoll ist, diesen Band zu lesen ohne die Vorgänger zu kennen.
Alicia ist eine Protagonistin, wie man sie aus Spionageromanen und Agententhrillern kennt: unerschrocken, distanziert, einsam und zurückhaltend, zugleich von einer Emotionalität, die sie vor allen versteckt, auch vor sich selbst. Dass sie an einer Verletzung aus dem Krieg leidet und furchtbare Schmerzen hat, macht sie zwar mitunter schwach, aber nicht hilflos. Durch den Krieg ist ihr Leben mit dem Fermins verbunden; weil sie auf den Fall um Mauricio Valls angesetzt ist, nähert sie sich dem Schicksal, das die Familie Sempere erduldet hat.

Auf der Strecke bleiben das Zauberhafte und Fantastische. Wären nicht ab und zu Szenen, die sich um den Friedhof der Vergessenen Bücher drehen, und träten nicht die bekannten Personen auf, könnte man das Buch für einen auf der historisch realen Ebene angesiedelten Thriller halten, in dem es auch um das Franco-Regime geht, was inhaltlich wieder zu Band drei führt.
Damit ist aber nichts gegen die Qualität dieses Buches als Spannungsroman und gleichzeitig historisches Werk gesagt. Denn wie bereits bei den anderen Bänden folgt man der Handlung atemlos und wird gebannt von dem, was passiert, wie die Personen sich zueinander entwickeln und von den verschlungenen Pfaden zur Aufklärung der Geheimnisse.

Wenn eigentlich alles gesagt und geklärt ist, gehts trotzdem weiter: "….den geneigten Leser zu bitten, uns zum Abschluss der Geschichte zu folgen und uns bei der Suche nach dem Schwierigsten zu helfen, für einen armen, in seinem eigenen Labyrinth gefangenen Erzähler: Die Ausgangstür." (S.874)
Was danach folge, ist eine kleine Abschlussgeschichte, die zurück zum "Schatten des Windes" und Julián Carax führt. Vielleicht gönnt Zafón sich damit ein leises Verhallen des packenden Stoffs, mit dem er seine Leser seit 2001 mitreißend unterhält.