Rezension

Zuspruch in informationsüberladenen Zeiten

Bauchentscheidungen - Gerd Gigerenzer

Bauchentscheidungen
von Gerd Gigerenzer

Bewertet mit 5 Sternen

Mein Gefühl sagte mir, dass ich mit Bauchentscheidungen von Gerd Gigerenzer genau richtig liege. Der Autor gab mir recht! Nichts schmeichelt einem Leser mehr, als dass er auf ganzer Linie Recht behält. Nun, danke, Herr Gigerenzer! Sie haben zumindest einem jahrelangen Ehezwist die hohen Wellen genommen und für ein ruhigeres Gewässer gesorgt. Ich liege mit meinen "Schnellschüssen" versus "recherchebasierten Für und Wider" gar nicht so schlecht im Rennen. Geahnt habe ich es schon lange, jetzt habe ich es schwarz auf weiß.

Aber der Reihe nach. "Bauchentscheidungen" ist bereits mein drittes Buch von diesem Mann. Schon mit dem Einmaleins der Skepsis konnte er mich überzeugen. Darin ging es auch um die Falschdeutungen von Statistiken und der Unfähigkeit mancher Experten, anhand dieser Daten richtige Aussagen zu treffen.
Nun aber zeigt der Autor, dass wohlüberlegte Entscheidungen nicht unbedingt die besten Ergebnisse bringen, dass zuviel Faktenwissen sogar zu falschen Entscheidungen führen können. Zumindest aber sind sie einem langsameren Prozess unterworfen und sind somit in manchen Situationen sogar schädlich. Komplizierte Vorgehensweisen in der Entscheidungsfindung, mit z. Bsp. Für- und Widerlisten, oder seitenlangen Fragebögen mit rechenintensiven Gewichtungsschwerpunkten (schon das Schreiben ermüdet mich), sind kräftezehrend, zeitintensiv, widersprüchlich und kaum noch überschaubar. Aber selbst Experten, die all das leisten können, liegen mit ihren Entscheidungen nicht immer richtig.

Gigerenzer führt viele Testversuche auf und unterlegt seine "Laborergebnisse" mit Fallgeschichten. Das macht das Buch gut lesbar und verständlich, obwohl ich mit so manchem Diagramm nicht glücklich war (der Text dazu war aber immer deutlich). Die Fallgeschichten sind es auch, die deutlich machen, dass wir alle mal in die Situation kommen, wo Bauchentscheidungen getroffen werden, und wir uns dafür nicht im Nachhinein rationale Gründe ausdenken müssen.
Hier weist Gigerenzer aber auch die Problematik hin, dass so manches System (Recht, Medizin) nicht für diese Art der Entscheidungsfindung zugänglich ist und damit manch einer gezwungen ist, konventionell zu handeln, bevor er sich angreifbar macht. In großen Gesellschaften wohl nicht anders möglich.