Rezension

Zwei Brüder und Chaos pur

Bullenbrüder: Tote haben keine Freunde - Hans Rath, Edgar Rai

Bullenbrüder: Tote haben keine Freunde
von Hans Rath Edgar Rai

Bewertet mit 4 Sternen

Holger und Charlie Brinks sind Brüder und könnten nicht unterschiedlicher sein. Während der Ältere der beiden, bei der Mordkommission als Kommissar arbeitet, verheiratet ist und sich mit seinem spießigen Leben arrangiert, ist der Jüngere ein Lebenskünstler und hält sich mit Privatschnüffeleien über Wasser. Nun ist es wieder passiert und Charlies Ex-Freundin hat ihn vor die Tür gesetzt, da steht er bei seinem Bruder auf der Fußmatte und bittet um Zuflucht für ein paar Tage. Holger will das nicht, aber bevor es Ehestress gibt, darf der unwillkommene Bruder bleiben, allerdings im Gartenhaus. Ihn plagen nämlich gerade andere Sachen, denn in Berlins-Unterwelt ist ein Mord passiert. Der größte Drogenlieferant liegt tot im Aufzug mit einem Koffer voller Kokain und es gibt keine Zeugen, keine Kameras und Ermittlungen, die ins leere laufen. Da ist es vielleicht doch nicht so schlecht, wenn der kleine Bruder im Haus ist, denn dieser hat Verbindungen ins Milieu. Nur kann sich Holger auf Charlie verlassen? Riskiert er nicht zu viel, wenn er ihn mit in die Ermittlungen einzieht? Wie rechtfertigt er dessen Methoden? Und hat Charlie überhaupt einen Plan?

Ich mag ja Geschichten, die skurril sind und auch ins Witzige abdriften, nur darf es nie zu viel des Guten sein und die Mischung muss harmonieren. Da ich schon was von Hans Rath gelesen hatte, war ich aber guter Dinge und eine Freundin liebt die Bücher von Edgar Rai, also habe ich mich total auf diese Brüder gefreut und mich in die Seiten geworfen. Ob es mir gefallen hat, erzähle ich euch jetzt.

Holger Brinks, ist ein ernster Mann, verantwortungsbewusst, immer über korrekt, fühlt sich oft missverstanden und geht zum Lachen in den Keller. Ich übertreibe es jetzt ein bisschen, aber das machen die beiden Autoren auch. Momentan läuft es in seiner Ehe auch nicht wirklich und jede Versöhnung wird im Keim erstickt, es ist aber auch schwer, wenn die eigene Frau Journalistin ist und ihn vor laufender Kamera attackiert, oder ihn für ihre nicht Karriere verantwortlich macht, da kann der Ehemann nur verlieren. Nun ist auch noch sein kleiner nichtsnutziger Bruder da, der nur Ärger macht und immer nur nimmt. Sprich Holgers Laune ist im Keller und nun dieser Mordfall, keine Beweise, keine Spuren, keine Zeugen und eine Chefin, die ihm Druck macht. Am Anfang fällt es einem schwer Holger zu mögen, diese mürrische Art und diese bockige Haltung sind einfach unverdaulich und er stößt nicht nur seiner Umgebung ab und zu vor den Kopf, sondern auch seinen Lesern. Erst als er etwas auftaut, merkt man, dass das gleiche Schlitzohr vorhanden ist, wie bei seinem kleinen Bruder und das er dabei ziemlich hinterhältig sein kann. Da wurde aus dem blassen Spießer, ein interessanter Kommissar.

Charlie ist ein absoluter, in den Tag hinein lebender Mann, für ihn wäre ein fester Wohnsitz oder ein regelmäßiger Job, kein Leben. Er liebt allerdings schöne Frauen, tolle Autos und hat den Drang es mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen. Er lebt für den Augenblick, denkt nicht an Morgen und lässt alles auf sich zukommen. So ist er das genaue Gegenteil seines großen Bruders und hebt die Stimmung des Buches gewaltig. Während Holger stur ermittelt, ist sein Bruder gern auch mal auf der Seite der Verbrecher und bringt sich durch seinen Lebensstil auch gern mal in Gefahr. Allerdings kann man ihn auch nicht wirklich ernst nehmen, zumindest ich nicht, da er irgendwie in die Situationen immer unfreiwillig und auf eine tollpatschige Art hineinschlittert. Was der eine Bruder zu korrekt ist, nimmt der andere nicht immer so genau. Wirklich ein Traumpaar an Brüderlichkeit.

Genau, das macht aber diesen Kriminalfall aus, zwei Brüder, die sich ständig zoffen, zusammenraufen und sich öfters streiten als manches Ehepaar. Dieses Spiel der Gegensätze haben die beiden Autoren, durch ihre Figuren perfekt eingebunden und so manche Szene hat einem herrlich zum Lachen gebracht und man hat sich wie in einer Comedyshow gefühlt. Man spürt beim Lesen einfach, das Rath und Rai unheimlich Spaß beim Schreiben gehabt haben müssen. Allerdings leidet dadurch auch ab und zu die Spannung und ich fand einiges einfach zu vorher sehbar, oft dachte ich nämlich, jetzt passiert bestimmt das und genau das, ist dann eingetreten. Was natürlich das Lesevergnügen geschmälert hat und einen oft die Überraschung ausblieb. Ansonsten bedienen die Autoren gern jedes Klischee der Unterwelt und haben durch ihre Beschreibungen einen ziemlich guten Rahmen für diesen Fall geliefert.

Für mich ist Bullenbrüder ein herrlich leichter, witziger, lebhafter Krimi gewesen, welcher durch seine beiden Hauptprotagonisten überzeugt. Herrlich komischer Klamauk und auch der Ausflug in die Unterwelt war durchaus lesenswert und erfrischend anders. Zwei Brüder, ein Koffer Kokain und jede Menge Ärger ist hier wirklich Programm.