Rezension

Zwischen Berg und tiefem tiefem Tal

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam - Vea Kaiser

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam
von Vea Kaiser

Bewertet mit 4.5 Sternen

Zugegeben eine ganze Weile habe ich mich um dieses Debüt herumgedrückt, es in die Hand genommen, angelesen, wieder zurück ins Regal gestellt, auf später verschoben, was anderes gelesen und nun folgte bereits der zweite Roman der jungen Autorin – ein Anlass, sich doch endlich mal dem hochgelobten Debüt zu widmen.
Zudem scheint es mir in letzter Zeit so, als würden ganz klar die Bücher meine Lesegeschwindigkeit bestimmen. Blasmusikpop scherte sich nicht um meinen hohen Stapel ungelesener Bücher, es forderte meine ungeteilte Aufmerksamkeit und bremste mich jedesmal aus, wenn ich Fahrt aufnehmen wollte. Ich sollte mir Zeit nehmen, dieses Dorf in den Alpen genau kennenzulernen, um es zu verstehen. Und um die Allegorie auf das Leben zu verstehen. Ja, ich fühle mich angesprochen und erwischt. Mit all meinen überheblichen Vorurteilen, meinem Stolz auf die akademische Ausbildung und meinem Leben in der Stadt, weit genug weg vom täglichen Kuhstall und Hühnermist. Vea Kaiser hält mir geschickt den Spiegel vor, wenn ich auch nicht Johannes heiße und sich meine Griechisch-Kenntnisse maximal auf die ersten 4 Buchstaben des griechischen Alphabetes beschränken. Aber ich fühle mit den unverstandenen Bewohnern, die sich von der Dorfgemeinschaft unterscheiden, aus der Konformität heraustreten, anders sind, dadurch vom Dorf unverstanden und zwangsläufig einsam. Wie gut kann ich mich in Johannes hinein versetzen, der schon wie sein Großvater lieber die Nase in die Bücher steckt, als sich beim Fußball die Hacksen brechen zu lassen. Der lieber mit den Kaninchen kuschelt, als sie mit Rosmarinkartoffeln auf dem Teller als Sonntagsbraten zu finden. Der sich selbst genügt und Angst vor den anderen, einfach gestrickten Kindern von St. Peter am Anger hat, die sich darüber lustig machen, dass er hochdeutsch redet, sich gegen den hiesigen Dialekt sperrt und Allergien entwickelt, die im Dorf unbekannt sind. Johannes will weg in die gebildete Welt, in die Stadt, zu den Wissenschaften und mir erscheint dies nur natürlich, ich drücke ihm die Daumen. Doch Widerstände gibt es eben auf der ganzen Welt und so verzögert sich der Abschied von St. Peter doch um mindestens einen ganzen Sommer. Und der hat es in sich. Wie dicke kräftige Watschn knallt mir Vea Kaiser meine Vorurteile und Abwertungen über die St. Petrianer um die Ohren und zeigt mir die eigene Borniertheit auf. Ich bin ein bisschen eingeschnappt, schließlich hat sie damit angefangen, ich habe ihr doch lediglich zugestimmt und muss mir nun auf den letzten Seiten diese Abkanzelung gefallen lassen? Aber Recht hat sie. Die Watschn ziepen, das Herz hüpft und ich lese als nächstes das zweite Buch von Vea Kaiser, vielleicht mache ich mich da dann schon etwas besser.