Rezension

Zwischen Literaturwissenschaft und Verhaltensforschung

Affen wie wir - Alexandra Tischel

Affen wie wir
von Alexandra Tischel

Bewertet mit 5 Sternen

Warum forscht eine Literaturwissenschaftlerin über Primaten in der Literatur und nicht über ein anderes Säugetier, das Romanleser fesselt oder befremdet? Die Darstellung von Tieren sage vor allem etwas darüber aus, wie wir Menschen uns sehen und wovon wir uns abgrenzen, so Alexandra Tischel, Primaten hätten dabei von jeher eine besondere Rolle gespielt. Das Abgrenzungsbedürfnis sei Teil der Faszination.

Tischel befasst sich in ihrer Analyse mit Differenzen zwischen Menschen und Primaten am Beispiel von Sprache, Erinnerung, Bewusstsein über den Tod, mit Nachahmung bei Mensch und Tier, sowie Grenzüberschreitungen und utopischen Modellen in der Literatur. Als Primärliteratur zieht sie Romane und Erzählungen des 18. (Schnabel, Voltaire), 19. (Flaubert, E.T.A. Hoffmann, Wilhelm Raabe), 20. (Will Self, Peter Høeg) und 21. Jahrhunderts (J.M. Coetzee, Yann Martel) heran.

Wilhelm Raabes Erzählung "Der Lar" (1989) hatte ich als humorvolle Abrechnung mit dem Darwinismus längst nicht mehr auf dem Schirm. Utopische Klassiker wie Schnabels "Insel Felsenbug" (1731-1743) sind offensichtlich mehr als einen Blick wert. William Boyds "Brazzaville Beach" (1990) verarbeitet u. a. Jane Goodalls Beobachtungen an Affengruppen in Gombe und kann hier für Forschungsergebnisse über Aggression unter Tieren stehen, die bis dahin nicht für möglich gehalten wurden. Die Erkenntnis, dass Primaten Werkzeuge einsetzen und diese Kompetenz geduldig an Jungtiere weitergeben, steht für einen Wandel in der Beurteilung unserer Artverwandten und sagt mehr über menschliche Annahmen aus als über die Spezies, die erforscht wurde. Die Frage, ob Primaten Menschen nachahmen oder Fähigkeiten sich unabhängig voneinander entwickelt haben könnten, scheint noch nicht endgültig beantwortet zu sein. Hilfreich war für mich die Interpretation von Coetzees "Elisabeth Costello" (2003), ein Roman, der sich mir als Laie bisher sperrte mit seiner Sicht darauf, wie es sich anfühlen könnte Affe zu sein.

Mit Druck in zwei Farben, Kapitelüberschriften in der Fußzeile, Primär- und Sekundärliteratur-Verzeichnis liegt mit "Affen wie wir ein" optisch wie bibliografisch sorgfältig gestaltetes Buch vor mit Zugangs-Code für die ebook-Version.

Alexandra Tischels Darstellung von Primaten in der Literatur bildet eine Schnittstelle von Literaturwissenschaft und Verhaltensforschung und kann auch den Horizont interessierter Laien mit Sicherheit erweitern.