Rezension

Zwischen zwei Welten

Elfenliebe - Aprilynne Pike

Elfenliebe
von Aprilynne Pike

Bewertet mit 4 Sternen

Mir hat im ersten Band der Reihe schon außerordentlich gut gefallen, was für eine einzigartige Erklärung für Elfen sich die Autorin ausgedacht hat. In diesem Band erfährt der Leser noch Einiges mehr über die Elfenwelt, in einem wahren Feuerwerk einfallsreicher Details. Laurel verbringt den Sommer in Avalon, und durch ihre Augen sehen wir eine exotische, fremdartige Gesellschaft von Wesen, die den Menschen einerseits sehr ähnlich sind, andererseits jedoch oft ganz anders denken und fühlen. Ich habe den Teil der Geschichte, der in Avalon spielt, geradezu verschlungen, weil ich ihn so unterhaltsam fand!

Die Elfen leben in einer Art Kastensystem. Frühling, Sommer, Herbst und Winter - zu jeder Jahreszeit gehört eine Gruppe von Elfen, wobei die Frühlingselfen die unterste Kaste darstellen und die Winterelfen die höchste. Der Umgang zwischen den Kasten ist streng reglementiert; so müssen Frühlingselfen zum Beispiel immer zwei Schritte hinter Herbst- und Winterelfen gehen, und die Könige und Königinnen waren (bis auf eine Ausnahme) immer Winterelfen. Der Zeitpunkt der Geburt bestimmt die Fähigkeiten einer Elfe und damit auch ihre Kaste. Eltern aus Frühlings- oder Sommerfamilien dürfen höherrangige Kinder nicht behalten, denn diese werden gesondert erzogen.

Die junge Herbstelfe Katya, die Laurel unter ihre Fittiche nimmt, ist Laurel gegenüber sehr sympathisch und fürsorglich, aber an ihr sieht man auch deutlich, wie sehr sie das Kastensystem verinnerlicht hat - sie findet es ganz normal und kein bisschen ungerecht, während Laurel entsetzt über diese soziale Ungerechtigkeit immer wieder wütend aufbegehrt.

Mir hat sehr gut gefallen, wie kritisch Laurel die Zustände in der Elfenwelt hinterfragt; sie ist zwar begeistert über die unvergleichliche Schönheit, die sie allerorten umgibt, lässt sich dadurch aber nicht ablenken von ihren Fragen: Ist das Kastensystem gerecht? Ist es Unterdrückung, wenn sich die unteren Kasten scheinbar gar nicht unterdrückt fühlen?

Ich musste öfter an Hermine aus "Harry Potter" denken, die die Hauselfen befreien will, obwohl die anscheinend gar nicht befreit werden wollen...

Überhaupt hat mir Laurel in diesem Band noch besser gefallen als im ersten; sie kam mir reifer vor. Sie hinterfragt nicht nur das elfische Kastensystem, sondern auch ihr eigenes Verhalten. Denn sie steht immer noch zwischen Tamani und David...

Normalerweise hasse ich es wie die Pest, wenn die Heldin eines Buches sich nicht zwischen zwei Jungen entscheiden kann, aber hier macht es irgendwie Sinn, denn es spiegelt wider, dass Laurel unentschlossen zwischen zwei Welten steht. Einerseits fühlt sie sich als Mensch, andererseits wird sie unwiderstehlich von Avalon angezogen, wo sie nicht verstecken muss, wer und was sie ist.

Tamani kann ihre menschliche Seite nicht verstehen, und David wird ihr Leben in der Elfenwelt niemals teilen können. Aber Laurel begreift auch, wie ungerecht und selbstsüchtig es von ihr ist, wenn sie keine klare Entscheidung trifft.

Viele der Probleme, mit denen Laurel sich konfrontiert sieht, kann man fast schon als Parabel auf das reale Leben verstehen - so wie Laurel sich entscheiden muss, ob sie auf eine Ausbildung in Avalon verzichtet, um David nicht zu verlieren, muss sich ein normales junges Mädchen vielleicht entscheiden, ob sie nach der Schule wirklich in München studieren will, wenn ihr Freund doch in Hamburg bleibt.

In meinen Augen ist dieser Band spannender als der erste, denn es gibt verschiedene Handlungsstränge, die alle auf verschiedene Art und Weise spannend sind. Zum einen gibt es die stete Bedrohung durch die Trolle, die im Laufe des Buches immer mehr zunimmt und schließlich zu einer sehr gefährlichen Situation hochkocht. Deswegen muss Laurel auch versuchen, in kürzester Zeit das Wissen nachzuholen, das sie sich normalerweise als junge Elfe angeeignet hätte - aber sie muss feststellen, dass es nicht damit getan ist, jeden Tag stundenlang zu pauken. Frustriert muss sie gegen ihre Selbstzweifel und Ängste ankämpfen, und da hilft es nicht, dass ihre Mutter sich ihr gegenüber immer distanzierter benimmt, als könne sie einfach nicht akzeptieren, dass Laurel kein Mensch ist. Dann greift eines Tages auch noch eine Fremde in das Geschehen ein, und Laurel muss sich fragen, ob sie ihr trauen kann oder nicht.

Den Schreibstil fand ich wieder sehr angenehm, locker-flockig und wunderbar runter zu lesen.

Fazit:
In diesem zweiten Band lernt Laurel die Welt der Elfen besser kennen und verbringt einen Sommer in Avalon, wo sie in den Dingen unterrichtet wird, die eine junge Herbstelfe eben können und wissen muss. Aber sie fühlt sich hin- und hergerissen zwischen den beiden Welten, und dazu kommt auch noch, dass die Gefahr durch die Trolle keineswegs gebannt ist...

Bisher finde ich die Elfenreihe sehr originell, spannend und einfallsreich, und Laurel ist für mich eine sehr sympathische, glaubwürdige Heldin, mir der sich viele junge Leserinnen bestimmt identifizieren können. Meiner Meinung nach sollte man nicht zu viel Anspruch erwarten, aber eine nette Fantasygeschichte, die man wunderbar zwischendurch lesen kann.