Rezension

Zwischen zwei Welten

Abschied von Sansibar - Lukas Hartmann

Abschied von Sansibar
von Lukas Hartmann

Bewertet mit 4 Sternen

Dieses Buch ist wieder ein wunderbares Beispiel dafür, wie sehr Klappentexte einen in die Irre führen können. Der kurze Text zu Abschied von Sansibar spricht von einer arabischen Prinzessin, der verbotenen Liebe zu einem Hamburger Kaufmann und ihrer gemeinsamen Flucht. Das klingt nach Disney vom Feinsten! Romantik, Drama, Tragik und eine exotische Prinzessin. Taschentücher bereitlegen und los geht’s.

Wie vor den Kopf gestoßen ist man dann, wenn man anfängt zu lesen. Abschied von Sansibar erzählt nämlich keineswegs die romantische Geschichte eines Kennenlernens unter arabischer Sonne. Prinzessin Salme, die nun Emily heißt ist schon ein paar Jahre in Deutschland. Der Mann wegen dem sie ihr geliebtes Land verließ ist tot und sie sitzt ohne die Aussicht jemals zurückkehren zu können mittellos und depressiv als alleinerziehende Mutter dreier Kinder im kalten Deutschland fest. Ein harter Schlag für meine romantische Ader.

Ich war erst recht enttäuscht und habe das Buch Anfangs langsam und Stückchenweise nebenher gelesen. Gut, dass ich es nicht weggelegt habe, den der Roman ist gar nicht übel! Vor allem Emilys Kinder kommen hier zu Wort und schildern wie es ihnen mit dieser traurigen, starken, sehnsüchtigen aber auch fordernden Mutter erging. In erster Linie blickt Sohn Said zurück auf sein bewegtes Leben. Auf die Entfremdung von den Schwestern. Auf die hoffnungsvolle Reise zurück nach Sansibar. Auf die schweren Zeiten während der Zweiten Weltkrieges, den er, der Halbaraber und seine jüdische Frau nur durch die rechtzeitige Ausreise nach England überlebt haben. Auf die Kindheit mit einer so traurigen wie faszinierenden Mutter.

Zugegeben; ich habe nicht gewusst wer Emily Ruete war bevor ich dieses Buch gelesen habe. Dass von ihr die erste Autobiografie einer Araberin in der Literaturgeschichte stammt, wusste ich ebensowenig. Was dieser Roman aber schafft – und das finde ich großartig - ist, dass man Lust bekommt ihre Autobiografie zu lesen. Man möchte mehr über diese Frau erfahren, die zwischen zwei Welten gefangen war und die einige schwere Zeiten zu überstehen hatte. Auch, dass in diesem Roman ihre Kinder erzählen macht Sinn. Ihre Perspektive und auch ihre Geschichten sind einfach interessant.

Wenn man also mit den richtigen Voraussetzungen an diesen Roman herangeht ist Abschied von Sansibar ein interessanter, informativer und fesselnder Roman. Absolut keine Liebesgeschichte, aber ein toller Einblick in Politik und Gesellschaft Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts bei dem man kaum merkt, wo die Realität aufhört und die Fiktion anfängt.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 07. November 2016 um 23:18

Tolle Rezi, Minzi!