Buch

Das Buch des Hüters - Andreas Dresen

Das Buch des Hüters

von Andreas Dresen

Prolog

"Wir hätten sie ausrotten sollen, als wir noch Zeit dazu hatten!" Der junge Mann zog seinen verschlissenen Mantel enger um den dürren Körper. Seine Jeans war ausgewaschen und bereits an mehreren Stellen mit andersfarbigen Flicken ausgebessert. Die braunen Stiefel waren staubig und fleckig. Ein dichter, buschiger Bart bedeckte sein Gesicht. Die Nacht war kalt geworden, doch die beiden Wächter trauten sich nicht, ein Feuer zu entfachen, um ihren Standort nicht zu verraten. "Sie mussten ja unbedingt Naturschutzreservate einrichten. Tierschutz. Pah, dass ich nicht lache. Und wer schützt jetzt uns Menschen?" Er spuckte in die Dunkelheit. Die Männer saßen zusammengekauert auf den Resten des alten Stadttores und starrten in die Nacht. Außerhalb der Stadtmauer standen nur noch die Ruinen der verlassenen Häuser. Erste Bäume und Sträucher hatten sich in den Mauerritzen breitgemacht. Sal-weiden und Sandbirken hatten begonnen, die Gebäude langsam auseinan-derzureißen und den Asphalt der Straßen zu sprengen. Nachtkerze, Wilde Kamille, Brennnessel und Rauke wuchsen in dichten Teppichen auf den Plätzen, die früher einmal Gärten, Parkanlagen oder Verkehrsinseln gewe-sen waren. Kleine Tiere huschten raschelnd und jaulend durch die Dun-kelheit. Irgendwo in dem nahegelegenen Dickicht fauchte etwas. Der jun-ge Mann sprang auf und horchte. Sie hatten in dieser Woche die Nachtwache hier am nördlichen Ende der Stadt zugeteilt bekommen. Der Ältere der beiden hatte sich den Mono-log des Jungen schweigend angehört. Er war glatt rasiert, doch seine Klei-dung war ebenso alt wie die des Jungen. Sein Leinenhemd war fadenschei-nig aber sauber, seine Wollhose von geschickter Hand immer wieder her-gerichtet worden. Nur die Brille, deren beide Gläser gesprungen waren, zeugte davon, dass in diesem Zeitalter nicht mehr jeder Schaden behoben werden konnte. Nun holte er tief Luft. "Das ist die Rache der Natur!", widersprach er dem jungen Mann. "Das haben wir verdient!" Der Junge wandte sich wieder dem Alten zu und lachte spöttisch. "Dass ich nicht lache. Wir haben es also verdient, wieder im Dreck zu leben? Wieder ohne Schutz dazustehen? Und als ob das alles noch nicht genug wäre, müssen wir uns auch noch mit diesen Viechern rumschlagen. Weißt du was? Wenn unsere Vorfahren nicht so viele von den Tieren aus-gerottet hätten, dann wären jetzt noch mehr Viecher hier, die uns an den Kragen wollten." Der Alte streckte sich. Die Wache machte ihm langsam zu schaffen. Er wurde alt und hatte schon so viele Nächte über die Geschichte der Welt nachgedacht. "Nein, nein, hätten wir früher mit der Natur im Einklang gelebt, anstatt sie auszubeuten und Raubbau an ihr zu betreiben, dann hätten wir länger überlebt, und die Katastrophe wäre ausgeblieben." Der junge Wächter wurde laut. Er hatte seine eigentliche Aufgabe nun fast vollständig vergessen und sagte wütend: "Du redest wirres Zeug. Wir hätten die Kontrolle behalten, wenn diese Irren, diese verdammten Irren nicht den Stecker gezogen hätten! Back to nature! Wenn ich nur daran denke, läuft es mir kalt den Rücken runter. Das haben wir jetzt davon. Nur gut, dass auch diese Verrückten jetzt von den Viechern gefressen werden." Es herrschte Stille. Der Alte konnte die Wut des Jungen in der Dunkel-heit förmlich spüren. Er sah zwar nur seine Silhouette in der Nacht, doch seine Körperhaltung drückte die ganze Wut einer Generation aus, die das Gefühl hatte, um ihre Zukunft betrogen worden zu sein. Trotzdem, der Alte seufzte, irgendwann musste er es mal jemandem sagen. […]

Rezensionen zu diesem Buch

Na, wo ist das Internet?

Der Sieker gab auf. "Was ist denn Euer Steckenpferd?"

"Danke, danke. Wo Ihr schon danach fragt. Ich suche ein Internet."
Sie waren auf dem Boden agekommen.
"Ein Internet?", fragte Scharfblick interessiert.
"Was ist das? Wie sieht das aus?"
"Gute Frage, gute Frage."
-Seite 199

 

Was für eine vielversprechende Idee. Leben ohne Strom? Unvorstellbar! Oder etwa doch nicht? Andreas Dresen hat es darauf ankommen lassen und unserer Welt den Strom...

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Weitere Infos

Art:
eBook
Genre:
Science Fiction - Fantasy
Sprache:
deutsch
Umfang:
218 Seiten
ISBN:
9783862821310
Erschienen:
Dezember 2011
Verlag:
Acabus Verlag
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