Buch

Bones in London - Edgar Wallace

Bones in London

von Edgar Wallace

Mr. Augustus Tibbetts, früher Offizier bei Sr. Majestät Haussa-Schützen, war der geschäftsführende Direktor der Firma „Schemes Ltd.“, wie das große Messingschild an der Türe bekundete. Der ernst dreinschauende junge Mann trug ein goldeingefaßtes Monokel, das auf seiner graugewürfelten Weste hing und das er gelegentlich auch in das linke Auge klemmte. Seine braunrote Gesichtsfarbe zeigte, daß er sich lange in den Tropen aufgehalten hatte. Wenn er sich aufrichtete, hatte man den Eindruck, daß man es mit einem früheren Militär zu tun hatte. Er nahm seine Füße von der Tischplatte, griff nach einem Brief, las ihn laut, das heißt, er las nur bestimmte Worte, ließ andere aus und setzte für einige andere usw. usw. ein, wenn es ihm zu langweilig war, den ganzen Satz zu lesen. „Sehr geehrter Herr, als alte Freunde Ihres verehrten Onkels usw. und dergleichen, ergreifen wir die ernste Gelegenheit usw. usw. unser Mr. Fred Pole wird Ihnen seine Aufwartung machen und, na usw. usw. Ihre hochachtungsvoll Ergebenen.“ Mr. Tibbetts zog die Augenbrauen zusammen und läutete unnötig heftig die silberne Glocke. In der Türöffnung erschien eine sonderbare Gestalt in roten Hosen, einer grünen Zuavenjacke, einem phantastischen Fes und purpurroten Lederpantoffeln. Als Gürtel war kühn eine orientalische Seidenschärpe umgeschlungen. Das große, sanfte Gesicht war schwarz und trotz all dieser glänzenden arabischen Kleidung war er zweifellos ein Neger. Dieses Gewand war eigens nach den Plänen von Mr. Tibbetts angefertigt worden. Er hatte es genau nach der Kleidung des farbigen Kellners kopieren lassen, der den türkischen Kaffee im Wistaria-Restaurant servierte. Es gab keinen Grund, weshalb ein Geschäftsmann wie Bones eine Leibwache nötig gehabt hätte und noch viel weniger Ursache war vorhanden, einen Leibdiener in dem farbenfreudigen Gewand eines Othello auftreten zu lassen. Aber obwohl Mr. Tibbetts ein Geschäftsmann war, hatte er doch seine Besonderheiten. Er hob den ernsten Blick. „Ali“, fragte er, „hast du die Posten in dem Hauptbuch nachgetragen?“ „O Herr“, sagte Ali mit tiefer Ergebenheit, „der Gegenstand war zu umfangreich, um in die Öffnung des Briefkastens hineinzugehen. So habe ich ihn dem weiblichen Beamten hinter dem Postschalter persönlich überreicht.“ Bones sprang auf und sah ihn entsetzt an. „Zum Donnerwetter, du alter, verrückter Esel, du hast das Hauptbuch doch nicht etwa zur Post getragen?“ „O Herr“, entgegnete Ali vorwurfsvoll, „du hast mir den ausdrücklichen Befehl gegeben, die ,Post nachtragen‘. Deshalb habe ich das Geschäftsbuch sorgfältig in Packpapier eingepackt und mit Bindfäden verschnürt und es nach der Post getragen.“ Bones fiel in seinen Sessel zurück. „Es hat wirklich keinen Zweck, Ali“, sagte er traurig, „mein armer, unzivilisierter Wilder, du kannst wahrhaftig nichts dafür. Ich werde dich niemals soweit bringen, mein armer, alter verrückter Kerl! Wenn ich dir sage, die ,Posten nachtragen‘, dann meine ich doch, du sollst das Geld, das du für Wagen, Autobus usw. ausgegeben hast, in das Buch einschreiben. Ohne Vernunft kann man natürlich kein Geschäft führen, Ali. Weißt du denn das nicht, du alter Götze? Wie sollen denn nachher die Rechnungsrevisoren sich auskennen, wie ich das Geld meines Onkels ausgegeben habe, wenn du es nicht einmal aufschreibst! Die Posten nachtragen heißt aufschreiben. Aber um alles in der Welt -“ plötzlich kam ihm ein schrecklicher Gedanke - „an wen hast du es denn adressiert?“ „O Herr“, sagte Ali ruhig, „ich habe das Buch an die Privatadresse deiner Hoheit gesandt.“ Ali hatte sein Englisch in dem Laboratorium eines britischen Gelehrten in Sierra Leone erlernt und durch sein langes Zusammenleben mit diesem gelehrten Mann enthielt sein Wortschatz viele ungebräuchliche und hochtönende Ausdrücke. Bones seufzte resigniert. „Ich erwarte -“ In diesem Augenblick ertönte die Glocke. Auch diese Glocke war aus Silber. Bones schaute auf, zog seine Weste herunter, strich noch einmal über das Haar, klemmte das Monokel ein und nahm einen großen Federkiel mit einer lebhaft roten Feder in die Hand. „Laß ihn herein“, sagte er geschäftsmäßig. Ein wohlgekleideter junger Mann betrat das innere Heiligtum. Er hatte einen glänzenden Zylinder in der Hand und kam mit leichten Schritten quer durch den Raum. „Ah, Mr. Fred Pole!“ las Bones auf der Karte des Besuchers mit einem düsteren Blick, den er sich in den Geschäftsstunden angewöhnt hatte. „O ja.“ „Nehmen Sie bitte Platz, Mr. Pole. Ich stehe gleich zu Ihrer Verfügung.“ Den ganzen Morgen hatte er nun auf Mr. Pole gewartet, und der Firmenaufdruck auf dem Brief, den Mr. Pole ihm geschrieben hatte, war Veranlassung zu kühnsten Träumen gewesen. Schiffe. Dampfer. Hausflagge. die goldenen Uniformknöpfe der Schiffsoffiziere. Mit einer Handbewegung lud er Fred zum Sitzen ein, und als dieser Platz genommen hatte, schrieb er wie besessen. Diese plötzliche, eilige Tätigkeit war eine Erscheinung, die mit der Ankunft seines Besuchs zusammenfiel. Daran war teils seine Nervosität, teils auch der Umstand schuld, daß ihm Fremde unsympathisch waren. Mit großer Eile beendete er seine Arbeit, löschte das Papier ab und steckte es in einen Briefumschlag, fügte die Adresse hinzu und legte den Brief auf den Schreibtisch. Dann nahm er wieder die Visitenkarte in die Hand. „Mr. Pole?“ „Mr. Pole!“ wiederholte der fremde Herr. „Mr. Fred Pole?“ fragte Bones mit einigem Erstaunen. „Mr. Fred Pole!“ bestätigte der andere. Bones schaute von der Visitenkarte zu dem Besucher, als ob er seinen Augen nicht trauen könne. „Ich habe von Ihnen einen Brief bekommen“, sagte er und suchte auf dem Schreibtisch. „Ah, hier ist er.“ Es lag nur das eine Papier auf dem großen Tisch. „Ja, ich freue mich sehr, Sie zu sehen.“ Er stand auf und schüttelte dem anderen feierlich die Hand. Darauf setzte er sich wieder und hustete. Dann nahm er seinen Elfenbeinbrieföffner, kaute daran, hustete wieder, als er entdeckte, daß er etwas Unschickliches tat, und legte den Brieföffner geräuschvoll auf den Tisch. „Ich hatte mir vorgenommen, Sie zu besuchen, Mr. Tibbetts“, sagte Fred liebenswürdig. „Wir stehen, wenn ich so sagen darf, in geschäftlicher Verbindung.“ „So - tatsächlich?“ „Sehen Sie, Mr. Tibbetts“, fuhr Fred mit einem traurigen Lächeln fort. „Ihr verehrter, verstorbener Onkel verkaufte uns seine Schiffe, bevor er sich vom Geschäft zurückzog. Einen Monat später starb er.“ Er seufzte, und Bones seufzte auch. „Ihr Onkel war ein großer Mann, Mr. Tibbetts, einer der größten Geschäftsleute in dieser kleinen City - was für ein Mann!“ „Ja!“ sagte Bones und schüttelte traurig den Kopf. Er hatte seinen Onkel niemals gesehen und nur selten von ihm gehört. Saul Tibbetts war als Geizhals bekannt, und seine Sprache war derartig rauh, daß man den Knaben Augustus unweigerlich und eilig in das Kinderzimmer brachte, wenn der alte Onkel Saul die Familie besuchte, was allerdings nur selten vorkam. Bones hatte nun das ganze große Erbe angetreten und wußte selbst nicht, wie. Es erschien ihm alles wie ein Traum, aus dem er noch nicht ganz erwacht war. „Ich muß gestehen, Mr. Tibbetts, daß ich mir oft Gewissensbisse wegen Ihres Onkels gemacht habe. Schon öfter wollte ich zu Ihnen kommen, um mit Ihnen zu sprechen. Heute morgen sagte ich zu meinem Bruder: Joe, ich werde herumgehen und Tibbetts besuchen‘ - verzeihen Sie mir diese Freiheit - aber wir sprechen immer so, wenn wir von den Rothschilds und den Morgans sprechen, ohne daß wir Titulaturen hinzufügen.“ „Natürlich, selbstverständlich!“ murmelte Bones. „. ich werde Tibbetts besuchen und werde mir einmal die Sache vom Herzen reden“, sagte ich. „Wenn er diese Schiffe zu dem Preise zurückhaben will, den wir dafür gezahlt haben und selbst für weniger, dann soll er sie bekommen. ,Fred‘, sagte er, ,für einen Geschäftsmann bist du zu feinfühlig.‘ ,Joe‘, entgegnete ich, ,mein Gewissen arbeitet auch während der Geschäftsstunden.‘“ Bones schien zu verstehen und strahlte. „O ja, mein lieber, alter Pole“, sagte er munter. „Ich verstehe, Sie haben meinen lieben, alten Onkel beschwindelt, Sie haben ihm Geld abgenommen und das wollen Sie jetzt zurückzahlen.“ Bones erhob sich und streckte seine knochige Hand aus. „Sie sind ein netter, alter Sportsmann, Sie können das Geld hier auf den Tisch legen.“ „Was ich sagen wollte“ - begann Fred etwas erregt. „Kein Wort weiter - wir wollen eine Flasche zusammen trinken. Was darf ich Ihnen anbieten, Gingerbier oder Apfelwein?“ Fred unterdrückte mühsam ein Lachen. „Warten Sie, warten Sie, Mr. Tibbetts“, bat er. „Ich muß Ihnen doch alles erst erklären. Natürlich haben wir Ihren Onkel nicht wissentlich beraubt -“ „Nein, natürlich nicht“, sagte Bones und verzog einen Augenblick lang das Gesicht. „Wir Geschäftsleute berauben niemals jemand! Ali, bringe die Getränke!“ „Wir beraubten ihn nicht bewußt“, fuhr Mr. Fred verzweifelt fort, „aber wir - hören Sie mein Geständnis!“ „Sie haben etwas von ihm geborgt und haben es nicht zurückgezahlt - wie leichtfertig! Her mit dem Korkenzieher, Ali! Was darf es sein - Sodawasser oder etwas Alkoholisches?“ Mr. Fred betrachtete den jungen Mann ernst und lange. „Mr. Tibbetts“, sagte er und ergriff schnell Bones’ Hand. „Ich hoffe, daß wir Freunde werden. Ich liebe Sie. Das ist meine Besonderheit - ich mag die Leute oder ich mag sie nicht. Um aber wieder auf die Sache zurückzukommen. Wir kauften von Ihrem Onkel zwei Schiffe für hundertvierzigtausend Pfund, als wir wußten - ja, wir wußten es ganz bestimmt, daß sie mindestens zwanzigtausend Pfund mehr wert waren - jetzt, nachdem ich Ihnen das gesagt habe, fühle ich mich glücklicher.“ „Zwanzigtausend Pfund mehr wert“, sagte Bones nachdenklich. Die Vorsehung arbeitete für ihn. „Wenn es das Geld eines anderen gewesen wäre, hätte ich mich nicht darum gekümmert“, sagte Fred kühn. „Aber fragen Sie Cole - er ist der beste Rechtsanwalt in dieser Stadt in Schiffsangelegenheiten - fragen Sie meinen Bruder, der vermutlich die größte Schiffsautorität auf der ganzen Welt ist, oder - wozu andere fragen - fragen Sie sich selbst. Wenn Sie nicht der zweite Saul Tibbetts sind, wenn Sie nicht den Instinkt und das Auge und den Verstand eines Reeders haben - dann will ich nicht Fred Pole heißen!“ Er nahm seinen Hut auf und preßte die Lippen zusammen. Diese Grimasse und diese Geste sollten seine tiefste Überzeugung ausdrücken. „Was sind sie heute wert?“ fragte Bones nach einer Pause. „Was sie heute wert sind?“ Mr. Fred runzelte die Stirn und schaute nachdenklich an die Decke. „Nun, was werden sie heute wert sein? Ich vergaß, wieviel ich auf sie verwandt habe - sie liegen jetzt im Dock.“ Nun zog auch Bones die Lippen zusammen. „Sie liegen jetzt im Dock?“ sagte er. „Lieber, alter Fred Pole, Sie sind ein nettes, altes Idol! Beim Himmel, das ist nicht schlecht! ,Pole‘ und ,Idol‘, das reimt sich - haben Sie es bemerkt?“ Fred hatte es bemerkt. „Es ist ausgezeichnet“, sagte Bones und schüttelte den Kopf. „Es ist ausgezeichnet, wie sich die Dinge entwickeln. Woher haben Sie gewußt, alter Landsmann, daß ich in das Schiffsgeschäft einsteigen wollte?“ Mr. Fred wußte nicht, daß Bones das beabsichtigte, aber er lächelte. „Es ereignen sich wenig Dinge in der City, von denen ich nichts weiß“, gab er bescheiden zu. „Die Tibbetts-Linie“, sagte Bones entschieden, „wird eine Hausflagge von roten und grünen Diagonalen haben - von Ecke zu Ecke. Ein gelber Anker in einer blauen Girlande in einer Ecke und der große Buchstabe T in der anderen.“ „Originell, sehr originell“, sagte Fred bewundernd. „Woher haben Sie diese gute Idee?“ „Ich habe immer Ideen“, gestand Bones errötend, „manchmal nachts, manchmal am Tage. Die Flotte“ - Bones betonte das Wort und wiederholte es - „die Flotte wird bestehen aus dem ,Augustus‘, dem ,Sanders‘, einem lieben, alten Freund von mir, der in Hindhead wohnt, der ,Patricia‘, auch einer lieben, alten Freundin von mir, die auch in Hindhead wohnt, sogar in demselben Hause. Um die Wahrheit zu sagen, lieber, alter Fred, sie ist mit dem anderen Schiff verheiratet. Und dann wird es den ,Hamilton‘ geben, eine wertvolle, treue Seele, ein sehr, sehr, sehr alter, lieber Freund von mir, der in kurzer Zeit zurückkommt -“ „Wie wollen wir die Sache nun regeln, Mr. Tibbetts?“ fragte Fred, der eine Verabredung zum Lunch hatte. „Würden Sie die beiden Schiffe zu dem Preise übernehmen, den wir Ihrem Onkel gegeben haben?“ Bones läutete. „Ich bin ein Geschäftsmann, mein lieber, alter Fred“, sagte er korrekt. „Die Zeit kehrt nicht wieder, wir wollen die Sache jetzt in Ordnung bringen!“ Mit dem „Jetzt“ wollte er den Charakter des harten, unbeugsamen Geschäftsmannes zum Ausdruck bringen. Fred kam in das Privatbureau von Pole & Pole, nachdem er in Gesellschaft gegessen hatte. Er strahlte vor Freude und seine Züge waren von einem wunderbaren Frieden verklärt. Aber Freds strahlende Miene war nichts gegen das Hochgefühl, das sich in Joes Gesicht spiegelte. Er wartete auf seinen Bruder und hatte sich soweit in seinem Sessel zurückgelehnt, daß die Spitze seiner Zigarre zur Decke zeigte. „Nun, Fred, wie geht es dir?“ Es war fast so wie der Wechselgesang in der Kirche. „Sehr gut, Joe.“ Fred hing seinen Regenschirm auf, den er unnötigerweise mitgenommen hatte. „Ich habe die Feen verkauft.“ Joe sagte es und Fred sagte es auch. Sie sagten es beide zusammen und es war dasselbe siegesbewußte Trällern in ihren Stimmen. Und beide hörten im selben Augenblick auf, zu lächeln. „Du hast die beiden Schiffe verkauft?“ sagten sie beide wieder zusammen. Es sah fast aus, als ob sie diese Szene seit Monaten eingeübt hätten, so genau sprachen sie im Chor. „Warte ein wenig, Joe. Wollen wir die Sache einmal gründlich durchsprechen. Soviel ich verstanden habe, hast du mir die Angelegenheit überlassen?“ „Das stimmt, Fred. Aber ich war so versessen auf meine Idee, nämlich die Sache vor dir zu regeln, und dann bin ich ja auch gar nicht als Vertreter der Firma Pole & Pole zu ihm gegangen „Zu ihm - zu wem?“ fragte Fred und atmete schnell. „Na, wie ist doch gleich sein Name - Bones!“ Fred nahm sein blauseidenes Taschentuch heraus und tupfte seine Stirne. „Erzähle weiter, Joe!“ sagte er traurig. „Ich erwischte ihn gerade noch in dem Moment, als er zum Essen gehen wollte. Ich hatte die Firmenkarte von der United Merchant Shippers in sein Bureau geschickt. Das ist natürlich auch unsere Firma, und ich habe kein Wort von Pole & Pole erwähnt.“ „O nein, sicherlich nicht“, sagte Fred. „Und, mein Junge“ - das war scheinbar Joes größter Trumpf, denn er sagte es mit großem Pathos - „ich habe kein Wort über die Namen der beiden Schiffe in den Vertrag aufgenommen. Ich habe nur zwei Dampfer verkauft von so und so großer Tonnage und der und der Klasse -“ „Für wieviel hast du verkauft?“ Fred war doch etwas neugierig. „Hundertzwanzigtausend!“ rief Joe freudig. „Er gründet eine Flotte, wie er sagt, mit der er die Tibbetts-Linie eröffnen wird. Auch erzählte er mir, daß er diesen Morgen schon zwei Schiffe gekauft hätte.“ Fred schaute nachdenklich zur Decke empor, bevor er sprach. „Joe, ist es ein fester Abschluß? Hast du die Sache schriftlich gemacht?“ „Ganz selbstverständlich“, sagte Joe wütend bei dem Gedanken, daß der andere ihm zutraute, einen so wichtigen Teil eines Hausabschlusses unterlassen zu haben. „Das habe ich auch getan. Jene beiden Schiffe, von denen er erzählte, daß er sie gekauft hat, waren die beiden Feen.“ Es herrschte Totenstille im Bureau. „Nun wohl“, meinte Joe nach einer Weile unbehaglich, „dann müssen wir eben noch ein paar Schiffe dazu besorgen -“ „Wo sollten wir die wohl herbekommen? Gestern hast du noch zugegeben, daß zwei solche Boote in der ganzen Welt nicht mehr auf zu treiben sind.“ Wieder herrschte tiefes Schweigen. „Ich glaubte, mein Bestes zu tun, Fred.“ Der andere nickte. „Aber wir müssen etwas unternehmen, wir können einem Mann nicht etwas verkaufen, was wir nicht haben. Joe, könntest du heute nachmittag nicht Golf spielen gehen, während ich versuchen will, die Sache in Ordnung zu bringen?“ Joe nickte und erhob sich feierlich, nahm seinen Regenschirm von dem Ständer und seinen glänzenden Zylinder und verließ leise das Zimmer. Von drei bis vier Uhr saß Mr. Fred Pole in tiefen Gedanken versunken und schließlich schloß er mit einem schweren Seufzer seinen Kassenschrank auf, nahm sein Scheckbuch heraus und steckte es in die Tasche. Bones war gerade dabei, fortzugehen, nachdem er mit dem Erfolg des heutigen Tages sehr zufrieden war, als Fred Pole gemeldet wurde. Bones grüßte ihn so herzlich wie einen Bruder, faßte ihn gleich beim Eingang an der Hand und führte ihn zu einem der bequemen Sessel. „Das ist aber nett von Ihnen, lieber, alter Fred!“ sagte er vergnügt. „Wirklich zu liebenswürdig. Man muß das Eisen schmieden, solange es warm ist, mein lieber, alter Schiffseigentümer. Ali, bringe mein Scheckbuch!“ „Nur einen kurzen Augenblick, Mr. Bones. Seien Sie nicht böse, daß ich Sie mit Ihrem Spitznamen nenne, der schon einen guten Klang in der City hat.“ Bones schaute ihn zweifelnd von der Seite an. „Persönlich ziehe ich allerdings Tibbetts vor“, verbesserte sich Fred. „Persönlich tue ich das auch“, fügte Bones hinzu. „Ich komme wegen eines merkwürdigen Irrtums“, sagte Fred mit so beschlagener Stimme, daß Bones aufschaute. „Tatsächlich, mein lieber Freund, ich -“ Er ließ den Kopf hängen und Bones legte ihm voll Mitgefühl die Hand auf die Schulter. „Jeder ist gezwungen, einmal den Weg zu gehen, mein lieber, alter Fred“, sagte Bones. „Was mich betrifft, so bin ich dem Alkohol nicht ergeben. Ich habe Nerven wie Stahl und Eisen und all so was.“ „Ich muß mich tatsächlich vor Ihnen schämen“, gab Fred zu. „Sie brauchen sich gar nicht vor mir zu schämen, mein armer, alter Trinker. Ich kann mich darauf besinnen, daß einmal -“ „Als ein ehrlicher Geschäftsmann, Mr. Tibbetts“, sagte Fred tapfer, „können Sie mir vergeben, wenn ich Gefühl habe?“ „Gefühl? Sie verrückter, alter Kerl. Ich bin ganz Gefühl, mein lieber, alter Freund. Ich weine mich jeden Abend im Schlaf, wenn ich die Bücher des alten Charles Dickens lese.“ „Ich tue es nur aus Gefühl“, sagte Fred gebrochen. „Ich kann es einfach nicht - ich kann mich von diesen beiden Schiffen nicht trennen, die ich Ihnen verkauft habe.“ „Wie?“ „Sie gehörten Ihrem Onkel. Aber mein Bruder und ich haben eine solche Anhänglichkeit an diese Schiffe, daß es profan wäre, darüber zu sprechen. Mr. Tibbetts, wir wollen das Geschäft annullieren.“ Bones atmete schnell und rieb sich die Nase. „Geschäft, mein lieber, alter Freund“, erwiderte er höflich, „bleibt Geschäft. Tragen Sie es standhaft wie ein Mann. So sagte der alte, ehrwürdige Francis Drake, als sie ihn beim Kricketspiel störten. - Aber Geschäft ist Geschäft, mein lieber Freund. Es würde mir ja ein großes Vergnügen sein, Sie mir zu Dank zu verpflichten, aber es geht nicht -.“ Er schüttelte heftig den Kopf. Mr. Fred holte langsam sein Scheckbuch heraus und legte es mit einem Seufzer auf den Tisch, wie jemand, der sein Testament machen will. „Sie sollen nichts verlieren“, sagte er und schluckte, denn er war tatsächlich sehr betrübt. „Ich muß für meine Schwäche zahlen. Was meinen Sie zu fünfhundert Pfund?“ „Nun, was meinen Sie zu tausend, wenn die Sache so geregelt werden soll, Freddy? Ich bin wirklich sehr ärgerlich, daß Sie das Geschäft rückgängig machen wollen!“ „Siebenhundertfünfzig!“ Er blinzelte Bones an. „Also, nun schreiben Sie tausend, mein lieber Fred, ich kann die Fünfziger nicht so gut zusammenzählen!“ So wurde „in Anbetracht“, wie Fred schnell zu Papier brachte und Bones noch schneller unterschrieb, „gegen eine Abstandssumme von tausend Pfund der Vertrag zwischen usw. usw. annulliert“ und Fred wurde wieder Eigentümer der beiden Schiffe. „Mein lieber, alter Fred“, sagte Bones, als er seinen Scheck in die Tasche steckte. „Ich verstehe nicht - Offenheit ist von je ein Fehler von mir gewesen - viel von dem ganzen Schiffsgeschäft. Aber sagen Sie mir doch, mein netter, alter Geschäftsmann, warum verkaufen die Leute einem die Schiffe am Morgen und kaufen sie am Nachmittag wieder zurück?“ „Das ist Geschäft, Mr. Tibbetts“, sagte Fred lächelnd. „Nichts weiter als Geschäft.“ Bones hatte sich den Finger mit Tinte beschmutzt und versuchte, ihn mit dem Löscher zu reinigen. „Ein ganz hübsches Geschäft für mich, mein lieber, alter Freund. Ich habe tausend Pfund von Ihnen bekommen und tausend Pfund von einem anderen Herrn, der mir auch zwei Schiffe verkauft hat.“ „Ein anderer Herr?“ fragte Fred schwach. „Vielleicht jemand von der Firma United Merchant Shippers?“ „Ja, ja, diese Firma vertrat er.“ „Hat der auch sein Geschäft mit Ihnen aufgegeben?“ „Gewiß! Er war übrigens ein sehr netter, lieber Mensch! Er sagte, ich könnte ihn ruhig bei seinem Vornamen nennen! Der nette, alte Joe!“ „Der nette, alte Joe“, wiederholte Fred mechanisch, als er aus dem Bureau ging. Und den ganzen Weg nach Hause sagte er noch: „Der nette, alte Joe!“

Weitere Infos

Art:
eBook
Sprache:
deutsch
Umfang:
252 Seiten
ISBN:
9783954480531
Erschienen:
Oktober 2012
Verlag:
Redimus
Übersetzer:
Ravi Ravendro
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