Buch

Das geheimnisvolle Haus - Edgar Wallace

Das geheimnisvolle Haus

von Edgar Wallace

„Meuchelmörder!“

Dieser Schrei schrillte durch die stille Nacht und weckte auch das Interesse und die Neugier eines Bewohners des Brakely Square, der noch wach war. Es war Mr. Gregory Farrington, der gewöhnlich an Schlaflosigkeit litt. Er hörte den Ruf, legte das Buch, in dem er gelesen hatte, stirnrunzelnd aus der Hand, erhob sich aus seinem Lehnstuhl, zog den Schlafrock dichter um seinen etwas behäbigen Körper zusammen und trat an das Fenster. Die Jalousien waren heruntergelassen, aber er steckte die Finger zwischen zwei Brettchen und bog sie auseinander, so daß er durchschauen konnte.

Die Fenster waren beschlagen, und die Straßenlaternen waren nur undeutlich und verschwommen zu sehen. Er rieb die Scheibe mit den Fingerspitzen klar.

Zwei Männer standen vor dem Haus, mitten auf dem einsamen Fahrdamm. Sie sprachen erregt miteinander. Mr. Farrington konnte selbst durch das geschlossene Fenster ihre harten Stimmen hören. An ihren heftigen Gesten erkannte er sie als Italiener.

Er sah, daß der eine seine Hand hob, um den anderen zu schlagen, und er sah das Blitzen eines Pistolenlaufes.

„Hm!“ sagte Mr. Farrington.

Er war allein in seinem schönen Haus am Brakely Square. Der Hausmeister, die Köchin und ein Stubenmädchen, auch der Chauffeur waren zu einem Dienstbotenball gegangen. Die Stimme auf der Straße wurde lauter.

„Dieb!“ hörte er plötzlich in französischer Sprache rufen. „Soll ich mich denn bestehlen lassen -“ den Rest konnte er nicht mehr verstehen.

Auf der anderen Seite des großen Platzes war ein Polizist erschienen. Mr. Farrington rieb die Glasscheibe energischer und schaute sich ängstlich nach dem Beamten um. Dann ging er die Treppe hinunter, öffnete die Metallklappe seines Briefkastens und lauschte. Es war nicht schwer, alles zu verstehen, was sie sagten, obgleich sie jetzt leiser sprachen, denn sie standen am Fuß der Stufen, die zu der Haustür führten.

„Was willst du denn eigentlich?“ fragte der eine auf französisch. „Es ist eine Belohnung ausgesetzt - da könnte man Geld verdienen, gewiß! Aber wenn man ihn selbst packt, kann man genug für zwanzig bekommen! Unglücklicherweise haben wir beide dieselbe Absicht, aber ich schwöre dir, daß ich dich nicht betrügen will -“ dann sprach er ganz leise.

Mr. Farrington stand in der dunklen Eingangshalle, kaute an dem Ende seiner Zigarre und versuchte, die einzelnen Bruchstücke dieser Unterhaltung zusammenzusetzen. Die beiden Männer mußten Komplicen oder Helfershelfer von Montague - Montague Fallock sein.

Es mußte Montague Fallock sein, dieser Erpresser, nach dem die Polizei aller Länder Europas suchte. Und sicher hatten die beiden unabhängig voneinander den Plan gefaßt, ihn zu erpressen - oder ihn zu verraten.

Mr. T. B. Smith bewohnte ebenfalls ein Haus am Brakely Square. Er war ein hoher Beamter im Polizeipräsidium, der sehr begierig darauf war, Montague Fallock zu fassen. Mr. Farrington, der all dies genau wußte, war sich darüber klar, daß das wohl der Grund der Unterhaltung vor dem Tor seines schönen Hauses war.

„Ich sage dir ja gerade“, sagte der zweite Mann jetzt ärgerlich, „daß ich alle Vorkehrungen getroffen habe, um Monsieur - aufzusuchen - das mußt du mir glauben -“

„Dann wollen wir zusammen gehen“, erwiderte der andere bestimmt. „Ich traue niemand, am allerwenigsten einem unzuverlässigen Neapolitaner -“

Der Polizist Habit hatte nichts von dem Streit gehört, wie aus der späteren Untersuchung klar hervorging. Er sagte ganz bestimmt aus: „Ich hörte nichts Außergewöhnliches.“

Aber plötzlich fielen zwei Schüsse kurz hintereinander.

Sie waren unverkennbar aus einer oder zwei Browningpistolen abgefeuert worden. Dann schrillte eine Polizeipfeife auf, und der Schutzmann P. C. Habit eilte auf die Richtung zu, aus der die Schüsse gekommen waren. Er blies laut auf seiner eigenen Alarmpfeife.

Als er ankam, fand er drei Männer, von denen zwei tot auf dem Boden lagen. Der dritte war Mr. Farrington, der zitternd vor dem Eingang seines Hauses stand. Er hatte eine Alarmpfeife im Mund. Sein grauer Schlafrock flatterte in dem kalten Ostwind.

Weitere Infos

Art:
eBook
Genre:
Krimis Thriller
Sprache:
deutsch
Umfang:
244 Seiten
ISBN:
9783954480005
Erschienen:
Juli 2012
Verlag:
Redimus
Übersetzer:
Ravi Ravendro
8
Eigene Bewertung: Keine
Durchschnitt: 4 (1 Bewertung)

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