Buch

Das leise Kratzen in der letzten Rille. Absurditäten aus dem Leben eines Taugenichts - Johannes Finkbeiner

Das leise Kratzen in der letzten Rille. Absurditäten aus dem Leben eines Taugenichts

von Johannes Finkbeiner

1. Kapitel

Savi?evi? riss ein Magritte-Plakat von der Wand und warf es weg, denn es gefiel ihm nicht mehr. Man konnte seine Meinung ja auch mal ändern. Dann hängte er mit seinen drei T-Shirts eine Trikolore auf den Wäscheständer, dachte kurz nach und ging schließlich in die Küche, um ein Bier zu trinken. Er hatte sehr gut geschlafen. Savi?evi? war achtundzwanzig Jahre alt und hatte dichte blonde Haare; im Nacken waren sie etwas länger und bogen sich zwei Hörnchen ähnlich hinter den Ohren hervor. Im linken Ohr trug er einen kleinen, silbernen Ring, den er eigentlich gerne loswerden wollte. Es war ihm aber zu lästig, ihn herauszunehmen. Seine Augen waren grüngrau. Seit ein paar Monaten wohnte er in einem Bungalow am Ufer des Eau des Goûts, dem größten Strom der Föderativen Republiken Europas. Die Adresse war Franz K. Stanzel-Straße 1. In den achtziger Jahren hatte er durch Sportwetten ein großes Vermögen verdient, von dem er seither lebte. Besonders bei UEFA-Cup-Rückspielen von Werder Bremen hatte er den richtigen Riecher gehabt. Das Geld erlaubte es ihm, frei über seine Zeit zu bestimmen. Er war sehr glücklich über diesen Umstand, denn auf Arbeiten hatte er keine Lust - sein Leben war ihm wichtiger. Seine Zeit nutzte er vor allem dafür, ein, zwei Bier zu trinken, Platten zu hören oder mit seinen Tieren in die Disko zu gehen. Er hatte sich auf exotische Arten spezialisiert, da er mit Hunden nicht viel anfangen konnte und Hamster ihm leid taten. Seine Lieblingstiere waren Faultiere. Er selbst ähnelte ihnen insofern ein wenig, als er ziemlich oft im Bett anzutreffen war und in einem etwas unorthodoxen Rhythmus lebte, der ihm bisweilen Unannehmlichkeiten bescherte. Die meisten seiner Nachbarn waren nämlich Beamte, hassten Savi?evi?s Vorliebe, spätnachmittags aufzustehen, und schrieben deswegen Beschwerdebriefe an die zuständige Behörde. Montags um 6:30 Uhr kam dann immer Herr Sträuber vom Ordnungsamt und klingelte ihn aus dem Bett. Spätes Aufstehen sei unerlaubt; da könne ja jeder kommen, und das könne schwerwiegende Konsequenzen haben. Die Kostenzusageübernahmeerklärung sei unverzüglich einzureichen. Savi?evi? kannte solcherlei sinnlosen Müll nur aus dem Fernsehen, und da es obendrein viel zu früh für eine stringente Argumentation in drei Schritten war, entgegnete er nur kurz, aber treffend: \"Arschloch!\" Damit schubste er ihn hinaus, knallte die Tür zu und legte sich wieder hin. Sträuber brüllte dann meistens irgendwelche unverständlichen Hassausdrücke und drohte schließlich damit, neben Savi?evi?s Bungalow ein Atomkraftwerk bauen zu lassen - dies war die einzige Drohung, mit der man ihn beeindrucken konnte. Aufgebracht fügte er hinzu: \"Nehmen Sie endlich eine ehrliche Arbeit auf! Sie liegen ja nur auf dem Lotterbett!\" Savi?evi? hörte von alldem jedoch nichts mehr, denn er war längst wieder eingeschlafen. Im Übrigen fand er keineswegs, dass er auf dem Lotterbett lag; er hatte genug damit zu tun, über alles Mögliche nachzudenken.

Die meisten seiner Tiere lebten direkt neben seinem Bungalow in einem dreistöckigen Gebäude, wo sie eine Art autonome Gemeinschaft gebildet hatten. Bei sich im Bungalow hatte Savi?evi? die Tiere einquartiert, zu denen er den persönlichsten Kontakt hatte. Es waren Gökhan, sein ältestes Faultier, Pynchon, ein Schwarzer Panther, die Kobra Topstar und M’Boma, ein afrikanisches Spitzmaulnashorn. Abgesehen von seinen Tieren hatte Savi?evi? zwei Freunde, die er allerdings nur selten zu Gesicht bekam, da sie weit weg wohnten: Es waren Brinkmann, ein stromaufwärts in K.-Stadt wohnender Physiker, der in jüngster Zeit die Absurdität des Lebens bewiesen hatte und dadurch berühmt geworden war, und der Fahrradmechaniker Abduschaparow. […]

Weitere Infos

Art:
eBook
Genre:
Science Fiction - Fantasy
Sprache:
deutsch
Umfang:
178 Seiten
ISBN:
9783862823031
Erschienen:
September 2014
Verlag:
Acabus Verlag
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Rezension schreiben

Diesen Artikel im Shop kaufen